Glück ist die Abwesenheit von Schmerz. Leider wissen das nur diejenigen, die an chronischen Schmerzen leiden. Alle anderen rennen sich die Füße platt auf der Suche nach dem großen Glück. Immer fehlt etwas, um sich zurücklehnen zu können.
Haus da, Mann da, Kind da, Hund da, fehlt noch ein Kind.
Hübsches Aussehen da, Intelligenz da, Größe da, fehlt Chinesisch.
Lecker Kuchen da, exzellenter Tee da, gute Figur da, fehlt Sonne.
Die meisten Menschen leben im Plus und möchten noch mehr ins Plus. Als chronisch Kranker lebt man im Minus und wäre froh, sich von unten der Nulllinie anzunähern.
Alle Mißstände des Lebens kann man ein Stündchen verdrängen.
Geldnot, Scheidung, Jobverlust, ein Zentner zu viel auf den Hüften.
Den Schmerz nicht.
Er frißt Dich auf.
Nichts ist mehr von Belang.
Alles konzentriert sich auf den einen Wunsch: eine Pause vom Schmerz.
Durchatmen zu können.
Einen Moment des Friedens erleben.
Allein in Deutschland sind rund fünf Millionen Menschen stark von ihren ständigen Schmerzen im Alltag beeinträchtigt.
Neben Suchtproblemen zählt chronischer Schmerz zu den häufigsten Gründen für Suizid. Die Aussicht, noch länger mit diesem alles zerfressenden Begleiter leben zu müssen, ist jedes Jahr für mehrere Tausend Menschen unter uns nicht mehr tragbar.
“Wer tot ist, hat keine Schmerzen mehr.” Für mich bisweilen auch eine verlockende Vorstellung.
Nichts macht Schmerzpatienten glücklicher, als wenn der Schmerz pausiert
Und wer nicht tot ist, dessen Anspruch an Glück verändert sich über die Jahre.
Wenn ich merke, daß der Kopf aufklart und der Schmerz sich ganz tief in seine Höhle zurückzieht, bin ich glücklich.
Einfach so.
Ob es regnet oder stürmt.
Dann klimpere ich erstaunt mit meinen Augen ins Licht und wundere mich, wie wunderbar d ie Welt doch sein kann.Dieselbe Welt, die vorher so unerträglich war, daß ich sie am Liebsten verlassen würde.
Atmen ist toll.
Frische Luft ist toll.
Tee ist toll.
Überhaupt ist jede Minute ohne den Dolch im Auge ein Geschenk.
Oft habe ich schon gehadert, daß der Schmerz jede einzelne Handlung meines Lebens bestimmt.
Daß ich keine einzige Stunde mehr selbst bestimmen kann. Ob ich das Haus verlasse. Wann ich das Haus verlasse. Wie weit ich das Haus verlasse. Und ob ich mich am Ziel wegen Lichter, Gerüchen und Unruhe überhaupt länger als fünf Minuten aufhalten kann.
Glück ist relativ
An mitteleuropäisch en Lebensmaßstäben gemessen, müßte ich ein sehr unglücklicher Mensch sein. Bin ich aber nicht.
Und bei der Vorstellung, all diese Krankheiten im Kongo zu durchleben, erst recht nicht. Objektives Glück korreliert nicht mit subjektivem Glücksgefühl.
Glück für mich.
Pech für alle, die trotz randvollem Lebenskörbchen unglücklich sind.
Gesunde Menschen können sich ganz hervorragend selbst unglücklich machen.
Sie merken nicht, was sie haben.
Daß das, was sie nicht merken, genau das ist, was sie haben. Das merken sie erst, wenn sie es nicht mehr haben.
Genau wie ich.
Was habe ich mir früher mit Zukunftssorgen das Hier und Jetzt versaut.
Wenn heute Menschen über Themen lamentieren, über die ich früher auch lamentiert habe, erfordert es von mir ausnehmend viel Geduld, nicht wie ein Rumpelstilzchen durch den Raum zu hüpfen und meine jetzige Definition von Glück zu brüllen:
GLÜCK IST DIE ABWESENHEIT VON SCHMERZ
Der Rest ist Bonusmaterial.