Mein Umzugsfinale mit Moser-Man aka Trump für Arme

Allgemeinzustand von Frau E. am Umzugstag

Der Umzug noch mal. Hat ein wenig gedauert mit dem Finale zum Finale: Kisten. Ihr wißt schon. Auspacken, sortieren, zusammenklappen, Lampen aufhängen, wieder sortieren, alles durchwaschen, unter einem Wäscheberg zusammenbrechen. Und wieder sortieren. Aber zurück zum Ende des Umzugstages. Das wurde nämlich nochmal kurz spannend.

Ich hatte einen Bekannten gebeten, dabei zu sein, wenn ausgeladen wird. Was er denn machen solle, fragte der Bekannte. Nichts, antwortete ich. Einfach sein. Ich glaube, er verstand es nicht so ganz, war aber so lieb, einfach zu sein. Wie soll er auch wissen, wie seine Geschlechtsgenossen oft mit Frauen umgehen, wenn kein Mann dabei ist? Zudem hatte ich total Sorge, komplett umzukippen.

Da sich ja alles um Stunden verschob, konnte der Bekannte nur die erste Stunde dabei sein. Die sind doch voll nett, sagte er, als er ging. Ja, voll nett, das wollte ich nicht bestreiten. Aus Erfahrung in ähnlichen Situationen weiß ich aber, daß “voll nette” Kerle in Kerlenjobs meistens nur so lange voll nett sind, wie sie das Gefühl haben, ein mindestens gleich starkes Gegenüber vor sich zu haben. Aus ihrer Sicht.

Nun wurde die eine Hälfte meines Umzugsguts in den Keller transportiert und die andere in meine Wohnung. Es gibt aber nur eine Frau E. Und die blieb dann in der Wohnung, wo die schweren Möbel an den richtigen Platz sollten. Schließlich wohne ich nicht im Keller.

Das war’s sagte der Ältere. Unterschreiben Sie hier. Dann hielt er mir ein Formular unter die Nase, in dem er schon mal angekreuzt hat, daß der Umzug zu meiner Zufriedenheit abgelaufen ist und nichts zu Bruch ging. Diverse andere Felder waren leer.
Seh ich aus, als würde ich Blanco-Schecks ausstellen?

Gern, sagte ich, dann gehen wir noch fix nach unten, ich schaue mir den Keller an, unterschreibe, dann können Sie sofort los.
Wie die Männer, wollte ich auch nur, daß der lange Tag endlich vorbei ist. Und ich im eigenen (Jippieh!) Bett meine Trigeminusschmerzen auskurieren könnte.

Was wollen Sie denn im Keller nachschauen?!?! Ich hab doch alles reingetragen, was Sie auf der Liste hatten?!
Sehen würde ich meine Sachen trotzdem gerne einmal.

Uiuiui. Da gingt Umzugspacker ab wie Zäpfchen.

Schimpfte los wie ein Berserker, rannte raus, während ich zum Keller folgen wollte und schlug mir dabei wutentbrannt meine eigene Tür vor der Nase zu. Ich machte die Merkel und ging ungeachtet des Gemotzes in meinen Keller, die Kartonliste in der Hand.

Nun hätte ich fix die Nummern abhaken können, wenn nicht der Umzugstyp nonstop neben mir weiter auf mich eingemotzt hätte. So kam ich ständig durcheinander. Ich betrachtete das als Übung. So wie ich inzwischen überhaupt alles als Übung betrachte. Mein ganzer Roadtrip war eine spannende Übung: in Gelassenheit, dem Nervenbehalten im Auge des Orkans. Diesmal hatte der Orkan drei Beine. Denn der Jüngere fing aus Solidarität mit dem Älteren nun auch an zu stöhnen. Nicht so wild, deshalb nur das eine Bein.

Karton Nr. 6 fehlte. Der mit meinen Schuhen. Nicht, daß ich besonders an Schuhen hänge, aber haben täte ich sie schon gerne wieder. Nun könnte man als Umzugsmitarbeiter ja sagen: Huch, oh je. Ne, nix, das Gemaule ging weiter. Ich wieder hoch. Oben auch keine Nr. 6. Er schon längst wieder türenknallend und dauermotzend zum Laster.

Für eine Sekunde fühlte ich mich sehr allein. Für eine Sekunde hätte ich mich gerne im Treppenhaus auf den Boden geworfen und gejammert: ich kann nicht mehr. Ich bleib jetzt hier liegen, bis mich jemand in den Arm nimmt und sagt: alles wird gut. Ich gehe jetzt da raus und verhau die für Dich.

Dann war die Sekunde um. Ich dachte plötzlich: Ob dieser Trump für Arme sich das auch so herausnehmen würde, wenn ich ein Mann wäre? Wohl kaum. Ob der so losbollern würde, wenn mein Bekannter noch daneben stünde? Wohl auch kaum. Und da wurde ich sauer. Die Feministin in mir krempelte die Ärmel hoch und marschierte zum Wagen.

Ich reckte meine 183 cm in die Höhe und sagte, er möchte jetzt bitte mit dem Gemecker aufhören. Ruhig. Und deutlich. Sehr deutlich. Und daß ich das Formular nun entweder ganz ausfülle oder gar nicht. Die fehlende Kiste und das etwas verbogene Regal kommen da jetzt rein und die Kiste würde herzlich gerne wieder gestrichen, sobald sich das Rätsel darum löst. Feierabend.

Meine kurze Ansprache kam natürlich extrem gut an. Aber das bin ich gewohnt. Jähzorn als Reaktion auf meine Meinung kenne ich seit meiner Kindheit. Ich hätte in den letzten 30 Jahren sicher öfter familiären Kontakt gehabt, wenn ich bei all den Versuchen, mich einzunorden, die lieblich nickende Mimi-Tochter gespielt hätte.
Ich habe das nie eingesehen.

Warum sollen wir Frauen uns ständig anders geben, als wir von Natur aus sind?

Warum bekommen noch heute Mädchen nonstop erklärt, wie sie sich sozial kompatibel beim Spielen verhalten, während bei Jungs das “Jungs sind halt so”-Lächeln gelächelt wird? Und warum lesen Frauen lebenslang Bücher, wie sie bei Männern im Beruf oder in der Liebe ankommen können, während es für Männer keine 45 Regalmeter mit Verhaltensanweisungen gibt?

Dann sollen auch Mädchen sein wie sie sind. Und wenn ein Mädchen von Natur aus eher gradlinig ist und kein Mimi-Girl, sehe ich es als elterliche Aufgabe Gefühle ständiger Provoziertheit als Relikt aus der eigenen hierarchisch geprägten Kindheit zu identifizieren.

Zurück zum Umzug. Ohne mich, die Kundin, nochmal anzuschauen oder sich zu verabschieden, bestieg Moser-Man den Laster und fuhr von dannen. Wenigstens dachte er noch daran, seinen jungen Kollegen einzusacken, sonst hätte ich den jetzt auch noch im Keller.

Wäre schön gewesen, den Umzugstag mit einem harmonischen Gefühl zu beenden. Aber so ist das im Leben. Nun hängen unharmonische Situation besonders uns Frauen ja oft länger nach. Wieder etwas zu üben.

Ich öffnete den Kühlschrank, in dem eine erfrischende Rhabarberschorle auf mich wartete, ließ den Deckel schnappen und lauschte dem Wind in den Bäumen vor meiner Wohnung. Meine nackten Füße streichelten den herrlichen Naturholzboden. Ein Lächeln kräuselte sich zehaufwärts zu meinem Mund.

Und alles war gut.
Und so ist es noch.