Inga-Lindström-Schauerinnen, die Ihr mich seit Wochen fast täglich fragt, ob ich Späßken mit den schwedischen Herren habe.
Und
Euch in romantischen Phantasien vom Schweden-Schnuckel-Nachbarn
ergeht, der bei mir um Zucker bittet und flirtend in meiner Küche
verharrt.
Ich muß Euch leider unverändert desillusionieren:
Inga-Lindström hat so viel mit der schwedischen Welt zu tun wie
Schuhplattlern mit Deutschland.
Nämlich fast nichts.
Bei
Inga Lindström gibt es durchaus Männer, die aussehen wie Schweden.
Das will ich nicht bestreiten.
Die Inga
Lindström-Schweden verhalten sich aber nicht so.
Sie reden
nämlich relativ viel.
Und das sogar proaktiv.
Sie
umwerben ihre Herzensdame wie heißblütige Italiener.
Das wird
jede Schwedin in lautes Gelächter versetzen.
Nur eine Sache
stimmt:
Der Schweden-Schnuckel ist – wie sein Name sagt – was
ausgesprochen hübsch Anzuschauendes.
Er kleidet sich nach
meinem Geschmack, bewegt sich nach meinem Geschmack und spricht eine
Sprache nach meinem Geschmack.
Nur eines macht er nicht nach
meinem Geschmack: Flirten.
Er macht es nicht nur nicht nach
meinem Geschmack, sondern schlichtweg gar nicht.
Ich habe in
den letzten 20 Jahren schon viele Geschlechtsgenossinnen befragt.
Schwedinnen, ausgewanderte Schwedinnen und Nicht-Schwedinnen, die
hier leben.
Keine hatte es bisher wirklich erlebt.
Besonders
beklagen diesen Zustand natürlich wir Ausländerinnen.
Die
Inländerinnen sind damit aufgewachsen.
Vielleicht gibt es
auch einen geheimen Code, den ich noch nicht entdeckt habe?
Und
die Mädels hier scheinen auf den Alkoholeffekt zu spekulieren.
Den
habe ich auch schon des öfteren miterlebt
Und nicht für gut
gefunden.
Bekanntschaft machte ich damit ausgerechnet im
noblen Café
Opera.
Hier treffen sich die Schönen und Reichen.
Und solche, die
es werden wollen.
Der Bruder einer Freundin arbeitete als
Börsenmakler.
So durfte ich mit der Truppe sämtliche
VIP-Eingänge passieren und mir das Stockholm von Carl-Philip und
Madeleine anschauen.
Am Anfang des Abends wähnte ich mich im
Paradies.
Sorgfältig aufgereiht standen schmucke
Schweden-Schnuckel an der Bar.
Sie schauten in ihr Glas oder
auf ihr Handy.
Dann schauten sie auf den Barkeeper.
Dann auf
ihre Kumpels.
Und dann irgendwann zu uns Mädels.
Kurz
und schmerzlos.
Und ebenso neutral.
Gegen 23.45 Uhr und
ca. 300 Euro Alkohol später wurden sie locker.
Geradezu
ausgelassen für schwedische Verhältnisse.
Einer kam zu mir
herüber und erzählte mir amüsante Dinge.
Ich änderte meine
Meinung über trockene schwedische Herren.
Die Meinung hielt
rund eine Viertelstunde.
Dann hing er auf Halbmast und lallte
immer dasselbe aus seiner Börsenmaklerwelt.
Ich entwickelte
eine neue Meinung.
Eine, die ich hier nicht wiedergeben möchte.
Dazu habe ich zu wenig getrunken.
Seitdem war ich rund
15x in Stockholm.
Zu Geburtstagsparties, Kräftskiva, Julbord und
Midsommar.
Das Ergebnis war immer identisch.
Schwedische
Männer schauen mich an, wie sie einen Schreibtisch anschauen oder
eine Mikrowelle.
Neutral.
Das ist ausgesprochen
bedauerlich.
Wo sie doch so schnuckelig aussehen…
Nun
habe ich mir ausgiebig Gedanken gemacht, woher das kommt.
In
einer Buchhandlung las ich mich fest und wurde fündig.
Dort
stand in einem Buch, dessen Titel ich mir leider nicht gemerkt habe,
daß schwedische Jungs und Mädchen von kleinauf in sehr engem
Kontakt aufwachsen.
Sie kommen alle sehr jung in die Dagis
und für sie bestehe nach Jahren der gemeinsamen Sozialisation und
gründlichen Aufklärung über die Funktionsweisen des anderen
Körpers keine nennenswerte Attraktion mehr darin.
Schweden
würden Nacktheit und Sexualität trennen.
Halbangezogene Mädels,
wie sie hier im Sommer in Horden durch die Straßen laufen, seien
keine Aufforderung zum noch weiter Ausziehen.
Geht ja auch
teilweise nicht.
Die sexy Mode interpretieren männliche
Besucher dieses Landes leider falsch.
Mitteleuropäische
Phantasien über lustvolle Schwedinnen sind der Pornoindustrie
geschuldet.
Kleine aufreizende Szenen in Filmen der 50-er
Jahre, über die sich damals die halbe Welt empörte, prägten ein
Bild, das real nicht von der Gesellschaft gelebt wird.
Dennoch
hat sich dieses Kopfkino in der entsprechenden Film”landschaft”
fortgesetzt.
Hinzu kommt der Grundsatz der Gleichheit in
Schweden.
Beide Geschlechter sind ausgesprochen emanzipiert.
Es
steht Frauen genauso zu, einen Mann anzusprechen, wie umgekehrt und
wird offenbar auch so praktiziert.
Wenn beide dasselbe dürfen
– und müssen – löst sich das Mann-Frau-Schema natürlich auf.
Und
führt zu einer gewissen Neutralität im Umgang zwischen den
Geschlechtern
Für Mütter und Berufstätige hat das
Vorteile.
Für Frauen, die gerne mal in der U-Bahn einen
spannenden Blick riskieren, hat das keine Vorteile.
Es
verlängert die Fahrt ungemein, auf 36 blonde Schöpfe zu schauen,
die hinab aufs iPhone gerichtet sind.
Gleich werde ich in die
Stadt fahren.
Dort ist nämlich gerade Pride-Week.
Diese
Jungs haben wenigstens einen triftigen Grund, nicht zu gucken.
P.S. Die Autorin freut sich übrigens über sämtliche
Stories aus dem wahren Leben, die das Gegenteil beweisen!
© 2011 Texte und Bilder von Pia Ersfeld