Woran erkennt man anhand einer Deckenlampe gewisse Größenunterschiede zwischen Vermieter und Mieterin? 😉 |
Wenn man von den Wasserhüpfeskapaden absieht, sahen meine drei Wochen hinter den schwedischen Gardinen so aus: im Dämmerschlaf schon Panik bekommen. Augen aufreißen, verschlafen nach dem Smartphone tasten, Internet aktivieren und die neusten Wohnungsanzeigen laden.
Wenn etwas Interessantes dabei, umgehend aus dem Bett quälen und anmailen. Meinen Milchreis ohne Milch frühstücken. Streß empfinden. Kopfschmerzen vom Streß bekommen. Ins Bett kriechen. Panik bekommen. Nach dem Smartphone tasten. Repeat.
Zweimal wurde ich zu einer Besichtigung eingeladen. Zweimal in drei Wochen. Was einem Return on Investment entspricht, der einem die Tränen in die Augen treibt.
Wohnung 1 lag auf Augenhöhe mit einer sechspurigen Autobahnbrücke. Akustisch kaum zu unterscheiden vom Leben im Hochofen eines Stahlwerks.
Wohnung 2 war – vom horrenden Preis abgesehen – eigentlich OK. Nicht OK war die Schmutzpatina, die man auf den stylischen Fotos nicht hatte sehen können. Nun weiß ich aus Erfahrung: selbst, wenn ich die Bude zwei Tage und Nächte lang kernsaniere, die Bilder bekomme ich nie mehr aus dem Kopf. Die brennen sich ein. Meine Zehen würden sich kontinuierlich beim Duschen zusammenkräuseln. Und eine von kilometerlangen Haaren übersäte Matratze ist für mich schlimmer als ein Plumpsklo in Uganda. Ich habe nämlich seit meiner Kindheit so einen fiesen Haarekel. Trage ja nicht mal Mohair-Pullover.
Ne, das war leider keine Option.
Und so vergingen die Wochen. Alldieweil nächtigte ich auf dem Boden. Auch das noch.
Das Bett beliebte nämlich dank morscher Beinchen bei jedem Atemzug zu schwanken wie ein oller Kutter bei richtig Seegang.
Die Lage wurde nicht besser dadurch, daß mir liebe Menschen gutgemeinte Ratschläge gaben, die sich mit dem Stockholmer Wohnungsmarkt nicht auskennen. Die Gespräche erinnerten mich an die Apfel-Diät.
Zieh doch weiter nach draußen, Du bist doch eh fast nie im Stadtzentrum
Weiter draußen ist es in Stockholm auch nicht drastisch billiger. Ziel der sozialistischen Regulierung des Marktes war es, keine Ghettos entstehen zu lassen. Mieten im noblen Östermalm sollten nicht deutlich teurer sein, also beispielsweise in Rinkeby. Das Konzept wurde zwar vom Markt auf verschiedenen Wegen unterwandert. Dennoch ist das Gefälle nicht so drastisch, wie wir das aus Deutschland kennen.
Es sei denn, man zieht sehr, sehr weit außerhalb. Dann wäre ich aber endgültig aus Stockholm verschwunden. Meine Kräfte reichen nicht, um Ewigkeiten Bahn zu fahren.
Miete doch was über Airbnb
Da wäre ich ja noch gar nicht drauf gekommen 😉 Nun kostet in Stockholm eine Nacht via Airbnb 100€ aufwärts. Monatsrabatt gibt es hier fast gar nicht, weil auch so gut wie niemand via Airbnb einen Monat am Stück seine Wohnung vermietet. Die Leute wohnen schließlich selber drin. Und ziehen, wenn sie Interessenten haben, extra für diese Tage zu ihren Eltern, Freunden oder Lebensmenschen. So refinanzieren sie ihren Kredit.
Es gibt in Stockholm keinen einzigen bewohnbaren Quadratmeter, der leer steht. Anders, als in Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt, wo der Airbnb-Markt gefüllt ist von Wohnungen, die eigens für die tagesweise Vermietung gekauft wurden und auch mal leer stehen.
Geh doch ins Hotel und frag nach einem Langzeitpreis
Seh ich aus wie Udo Lindenberg? Oder Krösus? Abgesehen davon, daß ich in einem Hotelzimmer nur unter sehr erschwerten Bedingungen mein Essen selber produzieren kann. Das ist also leider auch keine Lösung für eine längere Zeit.
Für eine kürzere Zeit aber schon. Es kam nämlich der Morgen, an dem ich mich – umgeben von Koffern und Taschen – nur zwei Stunden von der Obdachlosigkeit entfernt sah. Kein prickelndes Erlebnis. Man muß diese Stadt schon sehr lieben, um so was mitzumachen.
Nun gehe ich seit Jahrzehnten davon aus, daß der nächste Tag bestimmt besser wird. Anders hätte ich das Gesundheitstheater nicht bis heute überlebt. Also ging ich jetzt ebenfalls davon aus, daß ich in den nächsten drei Tagen garantiert eine längerfristige Lösung fände und buchte mich in einem Hotel ein.
Als Touristikerin erhalte ich in guten Hotels glücklicherweise so viel Rabatt, daß sie am Ende meist günstiger sind, als Mittelklasse-Hotels, die keinen Rabatt gewähren. Immerhin ein Vorteil. Auf in ein richtiges Bett. Worüber man sich doch so freut als moderne Nomadin.