Die Bachelorette, meine Migräne und ich

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In Schmerzattacken gibt es zwei Möglichkeiten: Stunde um Stunde dumpf an die Decke starren und mit dem Schicksal hadern.
Das führt allerdings nach einiger Zeit zu tiefem Seelenelend.

Und Zusatz-Elend brauche ich in der Situation wie ein Loch im Kopf.
Das hab ich schließlich schon.
Meine Alternative: sendungverpasst.de.
Ich schaue seit Jahren nicht mehr aktiv TV, sondern fische nur nach Bedarf etwas aus dem Netz.

Bei Schmerzen ist der Bedarf intellektuell 20 Etagen niedriger.
Schließlich dämmere ich zwischendurch lange Strecken ein.
Und wenn ich einigermaßen wach bin, habe ich die meiste Zeit die Augen geschlossen und lausche nur dem Geschehen.

Bei Migräne sollte eine TV-Sendung das Niveau eines Testbildes haben.

Sonst frage ich mich in den klaren Momenten, warum der Ehemann plötzlich tot ist oder was alle auf Korfu machen.

Nun gibt es eigentlich ausreichend Auswahl mit dem Niveau eines Testbildes.
Aber – und nun kommt die Krux – mein Hirn ist ja noch da.
Und mein Hirn verträgt keine Sendungen, in denen Dumpfbacken Dumpfbacken spielen, die sich die ganze Zeit nur anschreien.

Und in Wohnungen, in denen die Wände in Terracotta gestrichen sind, Kacheltische mit überquellenden Aschenbechern und menschenähniche Wesen vor Döner-Tellern hocken, sollte das Geschehen auch nicht stattfinden.
Das reduziert die Auswahl migränekompatibler Sendungen auf ein Minimum.

Bei der Suche nach migränetauglichem Programm geriet ich vorgestern Abend an die “Bachelorette”.
Bisher kannte ich nur Yogurette.
Ich weiß gar nicht, ob es die noch gibt.

Das Bachelormädchen ist ein Michelle-Hunziker-Klon namens Anna und hat in den nächsten Wochen die Beschäftigung, sich zwischen 20 Waschbrettbäuchen zu entscheiden.

Frauen, die wie ich, im sexuellen Einzugsgebiet der Sporthochschule Köln leben, sind durch Waschbrettbäuche nicht mehr sonderlich zu beeindrucken.

Dennoch ist die Vorstellung, eine separate Villa fernab meines Zuhauses zu haben, wo eine Horde attraktiver Herren parat steht, nicht die Mieseste.

Zurück zur Bachelorette.
Jedes Mal, wenn einer der Waschbretter (ich kann die noch nicht unterscheiden) ihr ein Kompliment vorsäuselt, freut sie sich, als wäre sie acht und ihr Nachhilfelehrer hätte ihr einen Diddel-Stempel ins Schönschreibheft gedrückt.

Mädel, Du bist 26!

Komplimente VOR dem ersten Sex sind Strategie.
Danach basieren sie auf Endorphinen.
Glauben sollte man sie erst nach ein paar Monaten Beziehung, wenn er auch die Sofaschluffhose kennt.

Natürlich weiß ich, daß die Sendung größtenteils gescriptet ist und die Jungs nicht eine Frau, sondern den medialen Ruhm suchen.
Und nebenbei ein bissi Sonne, Strand und Sex abgrasen möchten.
Das kann man mit entsprechender Medikamentendröhnung allerdings herrlich verdrängen.

Das Mädel veranstaltet ein Speed-Dating.
16 Typen à drei Minuten.
Und immer dieselbe Art Frage.
(Ok, vielleicht auch nicht, hab mindestens die Hälfte verschlafen.. ,-) )

“Was hast Du gedacht, als ich aus dem Auto ausgestiegen bin?”
Erwartet sie jetzt ernsthaft, daß diese Kerle ehrlich (“Boah, geil, flachlegen!”) anworten?

Wobei das dem ein oder anderen zuzutrauen wäre. Dann verkündet sie vor versammelter Testosteronmannschaft: “Küssen ist wichtiger wie Sex.”
Die Männer erstarren.

Wegen des falschen Komparativs, da bin ich mir 100%ig sicher.
Welcher Mann will schon eine schlanke, langbeinige, schöne Blondine mit Grammatikproblemen?

Das erste Einzeldate steht an.
Tommy.

Tolle Proportionen horizontal wie vertikal: breite Schultern, langer Oberkörper.
Da wird die Männerrückenfetischistin kurz wieder aufmerksamer.

Super Styling dazu.
Bissi schmale Lippen, aber es wird ja nicht jeder als Manuel Neuer geboren.

Entspannen kann ich mich allerdings nicht.
Sie macht dem Geschoß ein Kompliment nach dem anderen.

Hallo? Seit wann schnulzt eine Frau einen Mann voll?!

Als ob das Geschoß nicht wüßte, daß es ein Geschoß ist.
So einen muß man erst mal kleiner kommentieren.

Anna nicht.
Anna schwärmt von seinen Augen, seinen Haaren und als ich kurz davor bin die Fassung zu verlieren, wirft sie sich noch in seinen Arm.
Da hätten die RTL-Drehbuchschreiber ruhig mal ein wenig mehr Grips an den Tag legen können.

Er läßt es huldvoll geschehen.
Glücklich sieht anders aus.

Sein Kuschelarm liegt herum wie vor Monaten abgestorben.
Erst blickt er ständig zur anderen Seite, dann muß er plötzlich “pinkeln wie ein Elch”.
Herrlich.

Den Rest habe ich leider verdöst.

Wenn ich mir nach der ersten angeschauten Sendung aus dem Stall drei aussuchen dürfte?

Dann wären es der Elchpinkler: weil man mit dem sicher heiße Stunden vorm Kamin verbringen kann. Ohne selbigen anzuzünden.

Der langhaarige Zottel: weil man mit dem sicher ausgiebig lachend versacken kann, um über den Elchpinkler hinwegzukommen.
Vielleicht auch mehr: Mit kurzen Haaren kann er nämlich richtig gut aussehen.

Und der schüchterne Hase namens Marsvin, ach ne, Marvin: weil er einfach süß ist und jede Frau ein liebliches Backup braucht, um nach der Elchpinkler-Pleite wieder Fahrt aufzunehmen.

Aber mich fragt ja keiner.
Also muß ich wohl oder übel auch die nächste Migräneattacke mit Anna und ihren Dates kupieren.
Ich halte Euch auf dem Laufenden..

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