Das Krankenkassenfahrtkostenerstattungsformular

Wenn man sich als unfreiwillige Krankenhaustesterin nach und nach quer durch die Republik operieren läßt, entstehen Fahrtkosten.
Das Formulargedöns lohnt sich natürlich nur, wenn nach Abzug der 10€ Eigenbeteiligung mehr überbleibt, als die Bearbeitung nervlich kostet.

Dann darf man bei der Kasse sein Krankenkassenfahrtkostenerstattungsformular anfordern und dies dem Arzt zum Ausfüllen vorlegen. Falls dieser nicht gerade selbst in einer Gesundheitssystemkrise steckt

“Die Zeit, die ich hier bei Ihnen ausfülle, bekomme ich nicht bezahlt!! Nix! Möchte nur, daß Sie das wi-sse-nn!”
(Wenn ich in 3 Minuten so viel bezahlt bekäme, daß sich fünf Minuten Lamentiererei darüber lohnten, würde ich vor Freude in die Hände klatschen. Aber gut.)
Auf dem Formular gibt es drei Optionen: PKW, Taxi und Öffentliche Verkehrsmittel.
Wenn ich Glück hatte, daß mich jemand mit seinem Auto brachte, bin ich aus dem Schneider.

Hatte ich das nicht, dann benutze ich als sparsamer Mensch meist die Kombi Taxi, Zug (mit meiner 50%igen Bahncard) und am Zielort Taxi bis ins Krankenhaus, das gerne mal am Allerwertesten der Gegend steht, wo der nächste Zug stoppt.

Ich käme nie auf die Idee, mich den kompletten Weg mit einem Taxi chauffieren zu lassen. Auch wenn ich inzwischen meist so schwach bin, daß ich es kaum die Treppe zum ersten Taxi herunter schaffe. Geschweige denn, am Bahnhof mit Gepäck alleine wieder in den Zug.

Aber wer preussisch erzogen wurde, schafft es dann doch.
Irgendwie.
Das ist vielleicht ein grundsätzlicher Haken in meinem Dasein.

So weit, so gut.

Dieses Procedere führt regelmäßig dazu, daß der Arzt nicht weiß, ob er Taxi UND Öffentliche ankreuzen darf.
Aus Verzweiflung werden es am Ende meist nur Öffentliche. Mit dem Ergebnis, daß ich den Großteil der Fahrtkosten selber trage. Man kann bekanntermaßen mit 50% BahnCard-Reduktion deutlich weiter kommen, als mit dem Taxi von der Wohnung zum Bahnhof.

Damit ich beim nächsten Mal nicht wieder draufzahle und das Procedere endlich einmal verstehe, rufe ich prophylaktisch meine Krankenkassen-Hotline an.
Das hätte ich lieber gelassen.

Die Hotline-Dame sagt, daß das eine Frage für eine Spezialistin sei und stellt einen Rückruf ein.
Der werde irgendwann erfolgen.
Und das tut er dann auch.

Seit rund zweieinhalb Jahren verbringe ich krankheitsbedingt 99,5% meiner Lebenszeit in meiner Wohnung.
Rückrufe erfolgen grundsätzlich in den 0,5%, in denen ich mich gerade durch Arztpraxen oder Supermärkte schleppe.

Der Rückruf von der Krankenkasse

Ett klingelt.
Ich hechte in den einzige sichtbaren Schatten weit und breit und stelle meine Taschen ab.
Dann erläutere ich der Spezialistin, daß ich mich ohne konkreten Krankenhausbesuch über den Prozeß informieren möchte.

“Wo waren Sie denn?”
“Aktuell war ich nirgendwo. Aber ich möchte das grundsätzlich einmal verstehen für den nächsten Fall.”
“Warum?”
(Das halte ich jetzt für eine philosophische Frage.)

“Ich möchte der Kasse keine zusätzlichen Kosten aufdrücken, schaffe aber nur noch mit Taxi den Weg von und zu einem Bahnhof. Dann müßte ich aber beide Verkehrsmittel ankreuzen.”
“SIE kreuzen gar nichts an.”
(Es gibt es in theoretisches Gesundheitssystem und ein praktisches. Die Dame scheint das praktische noch nicht erlebt zu haben.)
“Gut, mein Arzt würde dann beides ankreuzen müssen.”

“Darf er aber nicht.”  (triumphierender Tusch)
“Warum nicht?”

“Weil er nur eines ankreuzen darf und zwar das Kostengünstigste.”
“Aber das Kostengünstigste wären bei mir immer zwei.”

“Dann soll er nur Taxi ankreuzen.”
“Das wäre aber doch nicht das Kostengünstigste.”

“Doch!”
“Doch?!”

(Ich glaube, ich fange das nochmal von vorne an. Etwas bildlicher vielleicht.)

“Nehmen wir mal an, ich würde in Hamburg leben und in München in ein Spezialkrankenhaus müssen.”
“Wohnen Sie denn nicht mehr in Düsseldorf?”
“Ich wohne noch in Düsseldorf. Ist ja nur ein Beispiel.”
Wenn Sie umgezogen sind, müssen Sie uns das sofort mitteilen!!”
(Atmen, immer weiter atmen)

“Zurück zum BEISPIEL: würde ich von Hamburg nach München mit dem Taxi fahren, kostete das weit über 1000€. Würde ich als Lufthansa-Mitarbeiterin zum Mitarbeiter-Preis fliegen und vorher und nachher Taxi fahren, wären das vielleicht 100€.”
“Nein, also Frau E., (sie schnappt nach Luft) “Sie glauben doch nicht im Ernst, daß wir auch noch Flugkosten übernehmen?!”

“Auch nicht, wenn Sie dadurch 900€ sparen?”
“Wieso sollten wir dadurch sparen? Flugzeug!” (Sie lacht höhnisch auf)
“Äh, weil es billiger ist.”
“Na, das müssen Sie mir erst mal zeigen.”
(Ich zeig Dir gleich tatsächlich was..)
“OK, dann Zug: wäre zwar für mich teurer, als mit dem Flugzeug, aber Sie würden immernoch 850€ sparen.”

MRÖÖÖÖÖTTTT!
Ohrenbetäubendes Getöse ummantelt unser zartes Geplauder.

“.a….en…Sie…xi.”
“BITTE?” (Ich tret dem Sackgesicht mit dem Laubbläser neben mir gleich sein Ding vom Rücken.)
“DA NEHMEN SIE MAL SCHÖN EIN TAXI!”

“Aber das ist doch herausgeschmissenes Geld??”
MRÖÖÖÖÖTTTT!
“…??”
“ABER DAS IST DOCH HERAUSGESCHMISSENES GELD!!”
“Nein”, sagt sie.
“Doch”, sage ich.

MRÖÖÖÖÖTTTT! MRÖÖÖÖÖTTTT!
“….”
“Bitte?”
“Sie nehmen einfach das Verkehrsmittel, das der Arzt ankreuzt.”
“Aber der kreuzt das doch HINTERHER an.”

“Ja, und das nehmen Sie dann.”
“H-I-N-T-E-R-H-E-R. Da bin ich doch schon gefahren.”

MRÖÖÖÖÖTTTT!MRÖÖÖÖÖTTTT!

“Hab Sie nicht verstanden.”
“HINTERHER. DA BIN ICH DOCH SCHON GE-FAH-REN!!!”

“Das bestimmt der Arzt.”
MRÖÖÖÖÖTTTT!MRÖÖÖÖÖTTTT!

Jetzt habe ich genau zwei Möglichkeiten:
Ich gebe meinem Bedürfnis nach, mein Smartphone wild schreiend auf den Straßenboden zu knallen, es mit meinen Einkaufstaschen kurz und klein zu hauen und lasse dann die verbliebenen Krümel vom Laubsaugersackgesicht aufsaugen.

Das birgt allerdings die Gefahr, den Tag in den Rheinischen Kliniken zu beenden.
Zumindest müße ich in dem Fall kein Fahrtkostenformular ausfüllen.

Alternativ kann ich mich “einfach” für die Informationen bedanken, nach Hause fahren und mir dumpf vor mich hinbrütend eine Packung Kekse ohne alles reinpfeifen.
Ich entscheide mich für die letzte Variante.

Aber knapp.
Ganz knapp