Bevorzugt im Juli holt man sich hier in Stockholm eine seltene Verletzung: Nasenbruch.
Beim Versuch, schwungvoll in ein Geschäft einzutreten, knallt man regelmäßig mit dem Gesicht in eine Glastür.
Hämisch grinst einem dann aus nächster Nähe das berühmteste Wort eines jeden schwedischen Sommers entgegen: sommarstängt.
Alternativer Nasenbruchverursacher ist semesterstängt.
Das Wort existiert in Deutschland nicht einmal.
Wir müssen dazu einen kompletten Satz verbraten: wegen Urlaubs geschlossen.
Bedeutet: das Geschäft ist über die Sommer-Wochen – oder solche, die sich dafür halten – geschlossen.
Die werten Besitzer weilen auf ihrer Landställe.
Oder tauschen in Südeuropa ihre Kronen in so gerade noch existierende Euros ein.
Selbst die kostenlose Tageszeitung METRO erscheint über vier Wochen nicht mehr.
Das Leben in der Stadt liegt geradezu brach, weil die meisten Schweden zwischen Juni und August Anspruch auf vier Wochen zusammenhängenden Urlaub haben.
In der Zeit übernehmen die Touristen die Stadt.
Ganze Heerscharen quellen aus den Hop-on-hop-off-Bussen, drängen sich durch die Gassen der Altstadt, während die Wohngebiete komatös vor sich hindümpeln.
Und erst jetzt, wo so nach und nach die Ersten zurückkehren, über Stunden immer mehr Gegenstände des täglichen Bedarfs aus ihren vollbepackten Volvos zurück in die Wohnung schleppen, merke ich, wer hier eigentlich alles wohnt.
In meiner ersten Sommerwohnung 2012 in der Norra Agnegatan auf Kungsholmen hatte ich geschlagene vier Wochen lang nur ein oder zwei Lichter in den Häusern gegenüber brennen sehen.
Ich dürfte auf rund 70 Wohnungen geschaut haben.
Keine Bewegung, kein Arm, der Blumen goß, kein Lüften: nix.
Und weil es eine der sehr guten Adressen Stockholms ist, wohnten dort auch kaum Untermieter meines Schlags.
Man kann es sich eben leisten, auf einige Tausend Euro zu verzichten.
So manches Mal fühlte ich mich wie die letzte Überlebende eines Atomunfalls.
Das kann mir jetzt nicht mehr passieren.
Vorgestern ist über mir eine Kleinkindfamilie reimportiert worden.
Unter uns: so furchtbar war die sommarstängt-Zeit dann doch nicht.
>> Und noch eine Geschichte zum August in Stockholm