Stockholm Station 2: Einmal wie Edward Snowden fühlen oder illegal auf Kungsholmen

Neubauviertel am Hornsberg Strand (auf der Insel Kungsholmen)
 

Der nächste Morgen. Eine Nacht Schonfrist gehabt. An diesem Tag mußte ich etwas finden. Oder etwas findet mich. Und was wäre dann eine Brücke. Zum Glück gibt es in Stockholm derer 54. Und eine sich selbst aufblasende Isomatte habe ich immer im Koffer dabei.

Nach dem Frühstück fuhr ich zum Hornsberg Strand. Vor zehn Jahren war hier nichts. Ein wenig Gewerbe, sonst Brachland. Innerhalb weniger Jahre wurden die ach so individuellen Neubauten hochgezogen, die von Frankfurt bis Sydney identisch aussehen. Und in denen man für horrendes Geld beim Blick aus dem Fenster direkt in 45 andere Wohnungen blickt, weil alles so nah beieinander gebaut wurde. Bin kein Fan davon. Ist natürlich Genöle auf höchstem Niveau. Schon klar.

Das Treffen mit dem Vermieter stand unter dem Motto: ein Mann, ein Wort. Eine Frau ein Wörterbuch. Ich schätze, er kommt aus dem Norden Schwedens. “Das ist der Lift” war das erste, das er sagte, als wir – tarää – in den Lift stiegen. Oh, ein Lift.
Ich textete ihn zu, wie ich immer alle zutexte, wenn sie diese unendlich langen Schweigezeiten entstehen lassen. Der arme Mann.

Die Wohnung war 30qm groß und bestand aus einem Zimmer. Das ist für Stockholm ungewöhnlich. Die bringen es hier fertig, daraus drei zu machen. Nichts für Klaustrophobiker wie mich. Also freute ich mich, daß Küche, Sofa, Schrank und Bett im selben Raum standen..

Bissi düster war es allerdings. wie Hochparterre, dicker Balkon oben drüber und alle Lamellenrollos runter. Ich rupfte am Rollo. Da kam Bewegung in meinen Vermieter to be: Nej!!!
Wie nej?

Wenn ich miete, wäre ich illegal hier. Und damit auch ja niemand mitbekäme, daß dort eine Frau alleine wohnt, während dort sonst ein Mann wohnt, sollte ich die ganze Zeit die Rollos runter und gekippt halten. Bekam jetzt schon Beklemmungen. Aber half alles nichts. Wir denken an die Brücke und Frau E.s überbordende Begeisterung für Camping.

Hinter schwedischen Gardinen

So ist das Leben der illegalen Untermieter in Stockholm: wer eine Wohnung gekauft hat, darf sie beileibe nicht vermieten, wie er lustig ist. Sonst hätte ich das ja schon vor Jahren gemacht. Nein, der stolze Besitzer des bostadsrätt muß einen Untervermietwunsch bei der sozialistischen Eigentümergemeinschaft schriftlich beantragen. Dann wird das geprüft und vielleicht sogar genehmigt. Aber nicht so oft. Eigentlich nur, wenn man nachweislich beruflich ins Ausland muß oder mit seinem Lebensabschnittsmenschen das Zusammenleben probt. Und daß man fünf Mal im Jahr einen neuen Lebensabschnittsmenschen testet, glaubt einem ja auch irgendwann keiner mehr.

Also vermieten alle illegal. Und als Mieter darf man dann nix. Man soll einfach nicht existieren. Aber die horrende Miete, die darf dann existieren. Den Briefkasten kann man nicht nutzen. Die tvättstuga nur unter dem Namen der Vermieters. Besser aber gleich gar nicht. Keinen Besuch bekommen. Im Prinzip lebt man nicht viel anders als Edward Snowden auch. Nur, daß man dafür noch Geld bezahlt.

Da die Wohnung ordentlich war und der Vermieter sehr freundlich, hätte ich auch meine Omma dafür verkauft, die drei angebotenen Wochen darin wohnen zu dürfen. Ich unterschrieb, holte meine Sachen und zog ein. So ist das in Stockholm  Ratz fatz rein. Ratz fatz raus. Wie schlechter Sex. Nur teurer.