Im schönen Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen, marschierte ich mit vielen Träumen in meine Wunsch-Zukunft. Forschen. Schreiben. Frei sein. Kein Haus, keine Ehe, kein Kind. Lieber die Welt erkunden, vielleicht als Reisejournalistin.
Nach einem Magister in Geschichte und Germanistik startete ich voller Freude mit meinen Promotionsforschungen im Stadtarchiv von Stralsund. Die beste Zeit meines Lebens! Plötzlich wurde es für einen Moment ganz still: Dicker, fetter Hirntumor.
Nur noch vier Wochen zu leben, wenn er nicht operiert würde. Ich krempelte die Ärmel hoch.
Tumor ist, wenn man trotzdem lacht.
Ein Jahr lang trainierte ich nach der 12-stündigen Operation, um wieder “normal” zu werden. Ständige Migräne und Gesichtsnervenschmerzen von unbeschreibbarer Heftigkeit, betrachtete ich als vorübergehenden Preis fürs Überleben.
Hätte ich geahnt, daß ich den maternden Dolch in meinem rechten Auge nie mehr los werde, wäre ich direkt von einer Brücke gehopst.
Statt dessen kam ich zu dem ebenfalls schmerzhaften Entschluß, meine geliebte Promotion nicht weiterzuführen. Eine Universitätskarriere besteht aus zu vielen Unsicherheiten und Zeitverträgen, ohne daß mir eine Professur als Historikerin am Ende sicher gewesen wäre.
Meine tiefe Liebe zu Stockholm brachte mich auf die Idee, in einem internationalen Konzern zu arbeiten und so vielleicht mal mit deutschem Vertrag nach Schweden entsandt zu werden. Noch schwer angeschlagen bewarb ich mich für ein Praktikum in der Internen Kommunikation bei Lufthansa.
Daß ich mich gut beherrschen kann, so daß man mir meine Probleme nicht anmerkt, kam mir zugute. Ich erhielt den Zuschlag und fuhr volles Risiko: gab mein komplettes Leben in Münster auf, lagerte alles ein, stieg in meinen Volvo Amazon und brauste nach Frankfurt. Ziel: mit einem Fuß in der Tür einen festen Arbeitsvertrag zu erlangen.
Es war knallhart, mit täglichen Gesichtsnervenschmerzen, Gangunsicherheit, Taubheit in der linken Körperhälfte und Doppelbildern die fitte Karrieristin zu simulieren. Hat aber geklappt. Ich ackerte tagsüber und lernte nachts, Webseiten zu programmieren, denn ich wollte lieber das Thema Intranet aufbauen.
Gesagt, getan. Mein Praktikum wurde verkürzt, damit ich in Festanstellung richtig durchstarten konnte. Anderthalb Jahre später war ich Produktmanagerin in einem Bereich, von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Das freute mich. Meinen Körper nicht.
Endlos lange Arbeitstage, mindestens zwei Stunden Pendelei täglich, abends noch IT-Themen lernen sind nicht die Wellness-Kur, die er gebraucht hätte. Tägliche Migräne wegzudopen war nicht klug. Ich brach zusammen. Machte weiter. Brach nochmal zusammen.
Gab meinen stressigen Teamleiterinnenposten ab und arbeitete mich noch ein Jahrzehnt als IT-Spezialistin durch diverse Projekte. Das Ganze nur noch von zuhause aus, denn die Gerüche im Büro mit all den Druckern, Teppichen, Farben, Furnierhölzern, Wandfarben und dem Kerosin am Flughafen ließen meine Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) erst recht explodieren.
Schon 2002 sagten Ärzte sorgenvoll zu mir, daß das doch kein Leben mehr sei: hechelnd vor Schmerzen zuhause rum liegen, an den PC, sobald sie nachließen, was wegarbeiten, bis sie wieder aufflammten, wieder hechelnd auf dem Bett. Ich solle doch Rente beantragen.
Die Vorstellung, meinen Mitmenschen auf der Tasche zu liegen, war die Hölle für mich. Also machte ich weiter so. Bis absolut gar nichts mehr ging und ich ein Jahrzehnt später ein Pflegefall ohne Pflege war: ME/CFS war ausgebrochen zusammen mit dem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS). Inzwischen bin ich leider auch berentet.
In den Jahren davor war aber nicht jede Minute die Hölle! Für eine Airline zu arbeiten eröffnete mir die Welt des Fliegens und der Luxushotels zum Minipreis.
In dem Bewußtsein, wie endlich unser Leben ist, genoß ich in jeder erträglichen Minute das Leben. In der Heimat meines Herzens Stockholm, auf tollen Fernreisen von Mauritius bis Chicago, mit und unter meinem Oldtimer oder schnuckeligen Männern.
Und auch heute, wo ich seit vielen, vielen Jahren fast gar nicht mehr das Haus verlassen kann und oft tagelang nur zu atmen vermag, betrachte ich jeden einzelnen Tag wie ein neues Leben.
Jeder noch klitzekleine gute Augenblick ist eine Oase in sengender Wüste, für den ich sehr dankbar bin.
Eine hübsche Blume, das Rauschen des Windes in den Bäumen vor meinem Fenster, ich genieße solche Augenblicke ganz bewußt.
In meinen Blog schreibe ich aber nicht nur über Krankheitsthemen, sondern auch über mein früheres Teilzeitleben in Stockholm, Lustiges von Männern und Sex, Erlebnisse mit Kundenservice und Co., über halbherzige Beauty-Versuche und mein Bestreben immer minimalistischer zu leben. Und wer meine kritische Stimme hören möchte, schaut in der Rubrik “Ernstes” vorbei.
Meine Kämpfe sieht man mir nicht an.
An unsichtbaren, unheilbaren chronischen Erkrankungen zu leiden, rankt in der Arschkartenhierachie schon ziemlich weit oben.
Weil diese Erkrankungen wie geölt durch die unflexiblen Regularien unseres Gesundheitssystems hindurch rutschen. Und man nonstop mit Zweifel und Unverständnis von chronisch Gesunden konfrontiert ist.
Wie mir geht es Millionen. Millionen, die auch in einem unsichtbaren Rollstuhl sitzen, mit dem sie überall anecken. Indem ich aus meinem Alltag erzähle, möchte dazu beitragen diesen sichtbar zu machen. Meistens humorvoll und immer in der Hoffnung, dadurch mehr Verständnis zu schaffen.
Ich freue mich, wenn Du zu den über 2.200 Abonnenten hinzu kommst: hier oder auf Facebook. oder Instagram oder Youtube.
Auch freue ich mich über jeden Kommentar von Dir!
Alles Liebe und einen Tag mit wenig Schmerzen wünsche ich Dir!
Deine Frau E.
Frau E. in den Medien:
Moerser Literaturpreis
Auf einen Blick
Spiegel Online
Brigitte Online
In der Zeitschrift LEA
Auf der Seite der Schmerzklinik Kiel
Im literarischen Reiseführer Düsseldorf Walking
In der Rheinischen Post 2011
In der Rheinischen Post 2009