44.
Endlich bin ich die hässliche 3 los!
Und die Midlife-Crisis auch.
Das fiel mir auf, als ich heute mit einem Lächeln erwachte.
Jetzt ist eh alles wurscht.
Ein stilles Wasser auf die Schnapszahl!
Älterwerden hat einen schlechten Ruf.
Der eilt uns lebenslang voraus.
Und wir, wir lassen uns davon gängeln und ängstigen.
Natürlich ist es keine durchgehende Partystimmung, die mich bei dem Gedanken befällt.
Ich werde auch künftig immer mal zusammenzucken und denken: “Huch, Du bist ja jetzt alt – äh – erwachsen! Und mehr als die Hälfte Deiner erwachsenen Tage haben Krankheiten geschrottet.”
Aber ich sehe auch die vielen guten Seiten:
Mich ausprobiert zu haben, zu wissen, was ich mag und was nicht.
Wie entspannend!
Ich weiß, daß ich nie mehr gesund werde.
Aber ich weiß nach 17 Jahren auch, daß ich die “Phoenix aus der Asche”-Nummer schon oft genug durchexerziert habe, um sie im Zweifelsfall zu wiederholen.
So werde ich immer wieder kleine Nischen für mich finden – wenn ich will.
Und wenn ich nicht mehr will, sehe ich es nach all dem Theater als mein gutes Recht, alles zu beenden.
Auch entspannend.
Die Zeitschrift “für Frauen ab 40” lege ich inzwischen mit dem Titelblatt nach oben aufs Kassenband.
Ich zucke nicht länger zusammen, wenn ein junges Geschoss eine Kußpause einlegt und “Ich steh total auf ältere Frauen” flüstert.
Weiße Lindor Schokolade muß manchmal sein.
Die Ganze.
Auf ex.
Ich weiß, daß jede Hardcore-Leidensphase endet – irgendwann. Für einen Tag oder sogar drei.
Und daß die Stunden, wenn sich der Kopf aufklart oder gerade mal ein Fünkchen Energie im Körper ist, richtig toll werden.
Einfach, weil das Elend pausiert.
Ein preisgünstiges Vergnügen.
Bei Männern geniesse ich die gemeinsame Schnittmenge. Ob die außerhalb unserer Zeit Wasserballett üben oder meinen Blümchenfetisch albern finden, muß ich schon lange nicht mehr ausdiskutieren.
Freiheit ist mein höchster Wert und ich bin bereit, den Preis dafür zu zahlen.
Ich weiß, daß es keinen Sinn macht, sich über die Un’s dieser Welt aufzuregen. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, Unehrlichkeit gehören zur menschlichen Natur.
Und rege mich trotzdem auf.
Aber schneller wieder ab.
Mir ist klar, daß mein Hintern nicht mehr so knackig ist, wie vor zwanzig Jahren, habe aber gute Argumente gefunden, mich nicht daran zu stören:
1.) Hintern heißt nicht Hintern, weil er vorne ist. Sehe ich also nicht.
2.) Sieht auch sonst keiner in den klimatischen Verhältnissen, in denen ich mich aufhalte.
3.) Die, die ihn zu sehen bekommen, haben sich noch nie dazu geäußert. Obwohl sie selbst meist sehr gute Argumente gehabt hätten, auf Gleichstand zu pochen.
Völlig ineffizient also, sich damit zu beschäftigen.
Wo viele sich stressen, um Besitztümer anzuhäufen und vorzuzeigen, bin ich desinteressiert.
Das ist das Gute, wenn man schon in jungen Jahren mal ums Leben kämpfen mußte.
Ein gutes Buch, ein Häufchen Grün, ein guter Tee. Was braucht der Mensch mehr, um glücklich zu sein?
Einrichtung, die mir gefällt!
Die Ästhetik meiner Umgebung fließt nahtlos in mein Wohlbefinden ein.
Das würde ich gerne ändern, scheitere aber seit so vielen Jahren daran, daß ich bei auswärtigen Übernachtungen die Mehrkosten für puristisch designte Unterkünfte billigend in Kauf nehme.
Auch ein Kampf, den ich nicht mehr führe.
Das ist das Schöne am Älterwerden.
Das alles dachte ich vorhin, als ich aufwachte.
Mit 44.
Denken funktioniert also noch.