Das Rezept

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Wenn man chronisch krank ist, benötigt man regelmäßig Unterstützung der Pharmaindustrie.
Ich bestelle mein Rezept telefonisch.
Gleiche Stadt, gleiche Adresse, gleiches Präparat.
Nix kommt.

Gerne würde ich mich auf mein Rad schwingen und zur Praxis fahren. Dafür bin ich aber zu krank. Also rufe ich erneut an.

In der Praxis von Dr. K. steht grundsätzlich eine Busladung junger Frauen hinter der Theke. Eine davon denkt und arbeitet.

Die anderen Sprechstundenhilfen drehen ihre Extensions in den Fingern und überlegen, warum sie beim DSDS-Casting nicht in den Recall gekommen sind. Ich frage die Dame mit der leierigen Stimme, ob ich die Frau mit dem klaren Verstand sprechen kann.

Sie ist beschäftigt. Die Arme ist immer beschäftigt. Das ist die Strafe, wenn man klar denken kann.

Also erkläre ich meiner aktuellen Kandidatin den Sachverhalt.
„…und das Rezept ist bis heute nicht angekommen.“
„Aber wir haben es geschickt.“
„Ja, aber es ist nicht angekommen.“
„Aber wir haben es geschickt.“

Gut. Das hätten wir geklärt. Ich erzähle das Ganze nochmal andersrum.
„Ja“ sagt sie, „da waren doch die Feiertage zwischen.“
„Ja, sage ich, „aber Sie haben das Rezept sechs Tage vor den Feiertagen losgeschickt. Dann kann es nicht in den Post-Stau gekommen sein.“
Schweigen.
„Sind Sie noch da?“
„Ja, sagt sie. „Aber wir haben es doch geschickt.“

Als chronisch kranker Mensch braucht man echt Nerven.

„Könnten Sie es bitte nochmal ausdrucken und erneut zusenden?“
In dieser Praxis gibt es zwei Antwortmöglichkeiten.
Variante A: „Da muß ich den Doktor fragen.“ dauert in der Regel einen halben Arbeitstag und bringt kein Ergebnis.
Variante B. „Das machen wir nicht.“ bringt sofort kein Ergebnis.

Sie startet mit Variante A. Ich soll später nochmal anrufen. Ich rufe später nochmal an. Eine neue DSDS-Kandidatin ist am Telefon. Ich würde gerne die alte DSDS-Kandidatin sprechen, kann mich aber nicht an den komplizierten Namen erinnern.

Das wirft mich um 12 Minuten zurück.
Also „Ich bin gerade zu schwach, in die Praxis zu fahren…“
„Moment“, sagt sie und fragt gut vernehmbar alle Kolleginnen ab. Schön, daß nun auch alle umstehenden Patienten meinen Fall kennen.

„Meine Kollegin hat gesagt, der Doktor hat gesagt, das ginge ausnahmsweise.“
Weihnachten und Ostern zusammen. Ich würde hüpfen, wenn ich könnte.

„Haben wir einen frankierten Rückumschlag?“
Zu früh gefreut.
„Nein, den haben Sie ja beim ersten Mal benutzt.“
„Das geht nur, wenn wir einen Rückumschlag von Ihnen haben.“
Coitus interruptus.

„Ich bringe ihn vorbei, sobald ich wieder laufen kann.“
„Ich hab eine Idee“.
Sie klingt ganz stolz. Ich bin gespannt.

„Ich drucke Ihnen das Rezept nochmal aus. Sie kommen kurz vorbei und geben den frankierten Umschlag ab, dann schicken wir Ihnen das Rezept sofort zu.“