Fick. Fick. Fick. Sag’s laut und deutlich!

 +++ Schwedisch für Peinlichkeitsresistente +++

Für
Deutsche hält die schwedische Sprache einige Herausforderungen
bereit.

Wenn ein Schwede einem für das erste Date als
Aktivität „fika“ vorschlägt, kommt man schon kurz ins Grübeln.


„Fika“ ist eine Lieblingsbeschäftigung der Schweden.
Zu
jeder Tages- und Nachtzeit.
An jedem Ort.

Nun ist
Schweden aber kein Swingerclub mit neun Millionen Mitgliedern.

„fika“ bedeutet hier eine extended version vom deutschen
Käffken.
Mit Zimtschnecken und langen Gesprächen in schöner
Umgebung.

Ähnlich gelagert ist es mit dem Wort „fick“.

Fick ist die Vergangensheitsform von „bekommen“.

Original-Dialog im Sprachkurs 1996:

Lehrerin: Pia,
lies mal den nächsten Satz vor.
Pia: Jag *nuschel nuschel* ett
brev.
Lehrerin: Ich verstehe nicht. Nochmal.
Pia: Jag
*nuschel* ett brev.
Lehrerin: Jag FICK ett brev.
Pia: Hm.

Für alle, die das Gefühl kurz nachvollziehen wollen,
sprechen Sie bitte jetzt laut in ihrem Büro nach:

Jag fick.

Du fick.
Hon fick.

Na?
Eben.

Das „Hm“
mußte ich im Alltag fix ins reale Wort umwandeln.
Versuchen Sie
40x täglich das Wort „bekommen“ mit Alternativen zu ersetzen.

Als Sprachanfänger.

Betritt man auf dem Weg zum „fika“
ein Café, steht häufig „kaka“ an der Fensterscheibe.
Aus
deutscher Babysprache übersetzt, sind Mütter mit ihren Kleinkindern
zum Toilettengang willkommen.

In Schweden ist „kaka“
ausgesprochen lecker.
Bedeutet nämlich Kuchen.

Zum
Kuchen haut man sich dann ein „kopp kaffe“ in selbigen.
So
einfach ist das.

War das fika-Date erfolgreich, heiratet man
unter Umständen bald.
In Schweden ist man gerne verheiratet.

Allerdings ist man auch gerne wieder geschieden.

Entsprechend
vorausschauend ist die Vokabel für Heiraten: gifta sig.
Man muß
sich also später nicht unbedingt aufwendig scheiden lassen.
Man
kann sich auch vergiften.

Sollte man beides unterlassen,
vermehrt man sich vermutlich.
Jetzt kommt das schnuckelige System
schwedischer Verwandtschaftsbezeichungen zum Einsatz.

In
Deutschland müssen wir „mütterlicherseits“ oder
„väterlicherseits“ hinzufügen.
In Schweden ist alles
bereits im Wort integriert.
Quadratisch, praktisch, gut.

Mutter
= mor
Vater = far
Oma väterlicherseits = farmor.
Opa
mütterlicherseits = morfar

Und umgekehrt.

Onomatopoetisch
wird es bei der Uroma in weiblicher Linie:
Mormors mor.
Hört
sich bereits kuschelig an.

Bei den Enkeln verhält es sich
reziprok:

dotterson — dotterdotter
sonson ——
sondotter

Nein, eidotter existiert nicht.

Nehmen Sie
der Einfachheit halber einfach barnbarn.
Das erspart die
Überlegung, über welche Ecke der Enkel gezeugt wurde.

Beim
Familien-Frühstück steht – wie in vielen anderen Ländern auch –
oft eine Pappschachtel auf dem Tisch.
Hier finden wir ein
weiteres Juwel schwedischen Sprachguts:
Havre Fras.

Hafer-Fraß?

Sehr präzise Beschreibung dessen, was sich am Ende auf dem
Teller befindet.
Da hat die Marketing-Abteilung wohl ein
Nickerchen gemacht.

Und wen seh ich auf der Verpackung?

Meinen alten Freund Quaker
aus den USA.
So klein ist die Frühstücksflockenwelt.

Vor
zehn Jahren war ich bei den Eltern einer Freundin zum Abendessen
eingeladen.
Als alle Verwandte und Freunde am Tisch sitzen, zücke
ich meine Kamera.

Die Mutter springt auf und möchte sich die
Haare kämmen.
Men Du är aldrig vacker, sage ich.

Stille
breitet sich aus.
Acht Personen starren mich an.
Auch Frau H.
schaut irritiert bis entsetzt.

Dann rettet mich meine
Freundin:
Du menar altid.

Ups.
Ich habe Frau H.
gesagt, daß sie sich nicht kämmen braucht, weil sie eh nie (aldrig)
schön ist.

Eigentlich sollte es ein Kompliment werden.

Eigentlich.
Hätte ich altid (immer) benutzt.

Schnell
versuche ich, die Sache mit einer Anekdote aus einem Hotel
herumzureißen.
Jag sprang pa receptionen, plappere ich.
Weiter
komme ich nicht.

Schon wieder schauen mich alle an wie Auto.

Natürlich bin ich nicht AUF die Hotel-Rezeption drauf
geklettert.
Aber gesagt habe ich es.

So ist das, wenn man
hemmungslos Fremdsprachen quatscht, die man kaum beherrscht.

Heute
passieren solche Situationen nur noch selten.
Schade eigentlich.

Früher sah ich die Schweden öfter Lächeln.
Und das steht
ihnen ausnehmend gut. 

© 2011 Texte und Bilder von Pia Ersfeld