Online-Dating: Das Auge liebt mit

In der Rheinischen Post 2

Wurde am 19.04.2009 in Zeitungen der Mediengruppe Rheinische Post gedruckt.

Das Photo.
Schwierige Sache.

Ein Paßphoto geht nicht. Es sei denn, man sucht Männer, die auf Straftäterinnen stehen.

 Schöne Photos stammen meist von offiziellen Anlässen. Dort steht man dekorativ im Cocktailkleid und erweckt den Anschein, darin zuhause auch zu staubsaugen.

Mach ich aber nicht.

Auf den meisten Bildern habe ich eine Männerhand auf der Schulter.
Nicht zwangsläufig von einem LAM (Lebensabschnittsmann), sondern meist Brüder, Väter oder Sonstiges der Braut.
Das stört einen potentiellen LAM.
Ich mag ja auch keine Schokolade futtern, wo schon eine Hand drauf liegt.

Einmal habe ich ein Urlaubsphoto getestet.
Ich schwöre, es war ein herkömmliches Trägerkleid.
Keine laszive Ruf-mich-an-Bikini-Nummer. 

Mein Posteingang bekam auch viel Stoff.
Die Männer wollten Rasierthemen diskutieren. Auch Bio-Sekt scheint im Kommen zu sein.
Vielleicht sollte ich sie an den Bionade-Hersteller weiterleiten.
Irgendwas muß ja nach Quitte kommen.

Bleibt ein Portrait.
Prinzipiell gut.  

Nun haben aber viele Jungs schlechte Erfahrungen mit Portraits gemacht,

„Puuuh!“ sagen sie beim ersten Handschlag. Und wirken, als hätte ich sie gerade vom Afghanistan-Einsatz befreit.
Dann folgt die Story von zauberhaften Damen-Profil mit Portrait-Photo.

57 kg stand beispielsweise dabei, was der Suchende ganz passabel fand für 1,65m.
Er traf die Frau und stellte fest: mit 57kg war das linke Bein gemeint.

Lessing war offenbar Dating-Spezialist.
Nach dem Abgleich von diversen Ölbildern mit der Realität dessen, was aus der Kutsche stieg, zwirbelte er seine Löckchen und verfaßte den sinnigen Satz:

„Die Menschen sind nicht immer was sie scheinen, aber selten etwas Besseres.“

Hat mir schon meine Mutter ins Poesialbum geschrieben.
Damals war dieses Theater hier nicht mal zu ahnen.

Manchmal sieht das Objekt der Begierde in natura sogar besser aus.
Meistens aber nicht.
Dann wünscht man sich eine Botox-Stirn, die den Unmut elegant verschleiert.

Da war dieser Schnuckel mit skandinavischem Profil-Namen.
Magnetisch für mich Schweden-Fanin.

Aus einem Pool grinste ein braungebrannter Jüngling.
Sein blonder Schopf glitzerte vorwitzig in der Sonne und beim Blick auf seine Oberarme glaubte ich die 17 Sportarten in seiner Hobby-Liste unbesehen.

Den Telefontest bestand er mit Bravour und so kam der Tag, an dem ich mich vorm Carsch-Haus in die Reihe der Wartenden einreihte.

Umgehend stürzte ein Mann auf mich zu und behauptete, mit mir verabredet zu sein.
Mit Sicherheit nicht, dachte ich.
„Du bist doch Pia?“

Jetzt hätte ich Nein sagen können.
Nun kann ich aber nicht lügen.
Schon gar nicht ohne dezidierte Vorbereitung.
Auch ist mein Profilbild zu scharf. (Technisch meine ich.)

Ich starrte den jungen Mann an.
Er trug eine dieser hautfarbenen Gummihauben, die Friseure für Strähnchen benutzen.
Oder doch nicht?
Traurig ragten einzelne Fetzen vergangener Pracht aus der Ödnis.

Daß er die dicke Brille im Schwimmbad nicht tragen konnte, sah ich ein.

Der Bauch stoppte meine weitere Betrachtung.
Nicht, weil ich so pietätvoll bin.
Frau ist ja schon neugierig, was die Zukunft bringen könnte.
Weiter bergab konnte ich schlichtweg nicht mehr sehen.

Spekulierte er darauf, daß ich denke „Ooooch, wo ich schon mal hier bin, verliebe ich mich mal in das, was vor mir steht?“

Tapfer marschierte ich mit meinem Überraschungsei ins Cafe.
Während der obligatorischen Nettsein-Zeit beschloß ich:

Vom nächsten will ich mindestens zwei Bilder.

Eines seiner Wahl und die ganze Wahrheit.