Generell bin ich ja an Pragmatismus kaum zu überbieten. Ich habe im Leben schon zu viel erlebt, um mich Träumereien hinzugeben. Manchmal ist meine Naivität aber grenzenlos. Wenn es um Mode geht zum Beispiel.
Ich habe da ein Abendtäschchen. Nicht groß und das soll es ums Verrecken auch nicht sein. Ich will schließlich nicht umziehen, sondern nur mal zwei Stunden dekorativ herumstehen. Ohne dabei Hosen oder BH mit meinem
Smartphone und Haustürschlüssel furunkelartig auszubeulen.
Meist löse ich das Problem, indem ich Stiefel anziehe und mein Hab und Gut dort hineingleiten lasse. Nun möchte ich den Bordsteinschwalbenlook aber nicht auch noch im Frühjahr praktizieren.
Also muß ein neues Täschchen her. Das alte hat kürzlich endgültig seinen Geist aufgegeben.
So ist das bei Modedingen im Hause von Frau E.:
sie werden geliebt – alternativlos – bis sie an Altersschwäche sterben. Das unterscheidet sie von Männern im Hause von Frau E.
Wenn Anziehbares plötzlich zerfällt, wundere ich mich gerne mal über die miese Qualität. Darüber würde ich dann gerne den Verkäufer informieren. Doch – halt – wo habe ich das nochmal gekauft? Meist fällt mir an dem Punkt ein, daß ich damals noch in anderen Städten lebte. Was meist ein Jahrzehnt zurück liegt.
Womit sich die Frage nach der Qualität erledigt hat.
Beschämt beschließe ich, dem Täschchen to be gleich ein Zweites beiseite zu stellen, damit es nicht so ausgebeute(l)t wird. Wenn das nur so einfach wäre. Und jetzt kommen wir wieder zur Naivität.
In einem Moment besonderer Nervenstärke und Heiterkeit marschiere ich in die Stadt. Shoppen. Oh, Herr.
Aber in Düsseldorf wäre das doch gelacht. Was es hier nicht gibt, muß noch erfunden werden. Gerne darf es auch etwas Hochwertiges sein. Ich bin bereit, alles Mögliche zu zahlen. Hauptsache, das Shoppen hört schnell auf. Und das Dingen hält lange.
Als Erstes marschiere ich in eine hochwertige Boutique, die ihr Fenster
mit einer Täschchenarmee ausgestattet hat. Das schreit nach Erfolg.
Die Dame mustert mich, wie man jemanden mustert, von dem man denkt, er
könnte sich in dem Geschäft eh nichts leisten. Ich mustere die Dame, wie man jemanden mustert, von dem man denkt, daß es höchst unklug ist, die finanzielle Potenz eines Menschen an seinem Outfit festzumachen. Wir sind uns also auf Anhieb sympathisch.
Ich trage meinen Wunsch vor, dezidiert, damit das nicht in mintgrünen
Blütentaschen ausartet.
“Bitte schlicht, klein, Glattleder, schwarz, mit Schultergurt.”
“Wie wäre denn diese hier?”
Orange??!
“Nein, nein, sie sollte schon Schwarz sein.”
“Hier haben wir etwas ganz Exquisites.” Ich bin der Ohnmacht nahe.
Das ganz Exquisite ist mit einer GOLDENEN Schlange verziert, die sich um die ganze Tasche windet und bei ihrem eigenen Anblick vermutlich in den Innenbereich erbricht.
“Schlicht!”
Das nächste Schlicht ist mit silbernen Pailletten galvanisiert.
Mäuschen, sehe ich aus wie Pailletten?
Ich mußte meinen Frankfurter Freundinnen beim Umzug nach Düsseldorf
hoch und heilig versprechen, nicht paillettig zu werden. Fiel mir nie schwer. Meine neue Freundin und ich trennen uns mit Blicken, für die es kein
Adjektiv gibt.
Um das “schlicht” nicht mehrfach neu zu definieren, marschiere ich
direkt zu Longchamp. Ein Paradies! Hier gefällt mir alles.
Dumm nur, daß keine Tasche meine Adjektive in sich vereint:
Die Glatte ist zu groß.
Die kleine Schwarze in geriffeltem Leder.
Die Portemonnaies wären perfekt, haben aber natürlich keinen Gurt.
Ich arbeite mich die Kö entlang. Das wohlfeile Geschäft, in dem ich bereits profunde Erlebnisse hatte, umschiffe ich großräumig. Dann arbeite ich mich durch die Kaufhäuser. Am Ende kaufe ich in der Feinkostabteilung eine Tafel weiße Schokolade und vertilge sie auf Ex.
Nun bin ich dick, habe aber immernoch kein Täschchen.
So langsam dämmert mir, warum 97,3498% aller Düsseldorferinnen mit diesem gruseligen Louis Vuitton-Achselschweißtäschchen durch die Gegend
rennen: Es GIBT in diesem Format keine Alternative.
Aber so tief werde ich nicht sinken. Ich werden kämpfen. Jawohl! Und wenn ich am Ende mit einem 9,90€-Exemplar vom Markstand herumrenne.