Uuuund?
Was und?
Was hast Du an Mittsommer gemacht??!
So beginnt seit einer Woche jedes Gespräch und jede Mail mit meinen deutschen Freunden.
Mittsommer.
Das ist für uns Deutsche ein Synonym für alles Glück der Erde – komprimiert in einem Tag.
Freunde und Verwandte in großer Zahl, die fröhlich miteinander feiern.
Lecker Heringsessen mit frischen Kartoffeln, on top Erdbeertorte und alle fünf Minuten ein Schnaps.
Blauer Himmel, weiße Schafwölkchen, lustig plätschert das Wasser und die Ameisen tanzen mit Blümchen im zarten Haar um herabfallende Knäckebrotkrümel herum.
Und die Liebe.
Natürlich, die Liebe.
Dank Inga Lindströms-Totaldröhnung an Sonntagabenden ist das schwedische Landleben inzwischen ebenso zum Hort des Glücks erklärt worden wie die im Normalzustand depressiv-nebelverhangenen Küsten Cornwalls.
Nun habe ich diesen Tag in über 20 Jahren Schwedenfetischismus bereits in diversen Varianten miterlebt.
Mittsommer 2012 auf Fjäderholmerna war zum Beispiel ausgesprochen idyllisch.
Aber unterm Strich auch nicht schöner, als jedes andere Picknick, daß man mit lieben Freunden auf schwedischen Sommerwiesen genießt.
So war ich auch nicht allzu enttäuscht, als ich die Einladung zu einem richtigen Mittsommerwochende draußen auf dem Land ablehnte.
Ich mußte kurzfristig direkt vor Mittsommer für 48h wegen einer wichtigen Arztbehandlung nach Düsseldorf.
Und Deutschland hatte ja just in der Woche die geniale Idee, es mir – und allen anderen Einwohnern – nochmal so richtig zu geben.
Lebten hier gestern noch Tausende??
So fuhr ich in Stockholm bei herrlichen 14 Grad los und kam in Düsseldorf bei stickigen 30 Grad an.
Ich hätte mich auf der Stelle übergeben können.
Und die Migräne brauchte auch nur 120 Sekunden, um aus ihrem Kerker hervorzuschießen und sich in Gesicht und Magen breitzumachen.
Zwei Minuten nach meiner Landung wußte ich also bereits wieder en Detail, warum ich Unsummen ausgebe, meine Freunde und mein eigenes Bett für lange Zeit verlasse und den stoischen Mißmut der Fremden auf den Straßen ertrage.
Das hätte eigentlich gereicht, aber Deutschland legte noch eine Schüppe drauf.
Als ich zwei schweißgebadet durchwachte Nächte später bleich wie die Wand vom Gate ins Flugzeug taumelte, zeigte ich den 35 Grad mal ganz diskret den Stinkefinger.
Zwar klarte der Kopf am Tag vor Mittsommer dank sauerstoffumtoster 18 Grad wieder ein wenig auf, aber daß ich in dem Zustand nicht viermal innerhalb von sechs Nächten meinen Schlafplatz wechseln mochte, verstand der schwedische Gastgeber sofort.
Wie immer im Leben gab es einen Plan B. auch mit echten Schweden, auf einer Halbinsel und mit öffentlichen Verkehrsmitteln so zu erreichen, daß ich am frühen Abend wieder in mein eigenes Bett fliehen könnte.
Im Gedanken an diese Option futterte ich meine Abendration Migränetabletten und legte mich ins Bett.
Am nächsten Morgen schlug ich die Augen auf, mir dämmerte das irgendwas anlag.
Mittsommer.
Oh Herr..
Mit letzter Kraft schleppte ich mich zum Sofa, schaute erschöpft aus dem Fenster und dachte etwas, das auf ganz undamenhafte Weise mein Desinteresse an diesem besonderen Tag formulierte.
Dann sagte ich auch Plan B ab und fiel wieder aufs Bett.
Da lag ich dann so herum, bis ich am frühen Nachmittag doch ein wenig “datt arme Dier” bekam, wie meine Mutter früher immer gesagt hat.
Im ganzen Häuserblock war NIEMAND.
Welch ein Glück, daß ich bei diversen Expatgruppen Mitglied bin!
Ein Blick in meinen Mailordner mit Veranstaltungseinladungen und ein Cross-Check mit streikbedingten Ausfällen von Bussen später, stand ein Fest mit 150 Gästen in Vinterviken auf meiner Liste.
Wo die Liebe hinfällt.. 😉
Also fix ein paar Sachen zusammengerafft, zur U-Bahn geschlichen und keine 30 Minuten später saß ich auf einer Picknickdecke und führte eine interessante Unterhaltung mit einer süßen Italienerin.
Das war ein entspannter Plan C, der nach wenigen Stunden mit einem noch entspannteren Lächeln im Gesicht auf dem Sofa meiner hübschen Wohnung ausklang.
So, und weil dieses Filmchen so wunderbar zu meinen Bildern paßt, hier noch eine kleine Lektion für Mittsommer-Einsteiger.
St. Eriksplan, eine der belebtesten Kreuzungen Stockholms – normalerweise..