So, den Juni habe ich geschafft. Er mich auch.
Schwül-warm, schwül-kühler, Wetterwechsel, Gewitter, das volle Programm.
Und vor Mitte September ist keine Besserung zu erwarten.
Von 30 Tagen hat sich der Trigeminus-Dolch 28 Tage durch mein Auge gestoßen, den Augapfel zerfetzt und sich immer tiefer rein ins Fleisch geschraubt.
Jede Stunde ein Tag.
Jede Minute eine Stunde.
Bis das vor Schmerz kochende Fleisch über der Augenbraue aufplatzt, sich über die Kieferseiten ergießt und das ganze Sein aus Ertragen besteht, aus seelischem Auflösen, kein Wunsch mehr formuliert werden kann.
Dann heißt es veratmen, mich in den Schmerz hinein entspannen.
Bloß keinen Gesichtsmuskel rühren, der den Nerv zusätzlich triggert.
Ans buddhistische Nicht-Bewerten von Situationen denken.
Verdammte Axt, natürlich bewerte ich die Situation dann doch.
Schließlich kann ich nicht 22 Stunden am Tag meine Deckenlampe anstarren.
Ich bewerte, daß ich jetzt rund 14 Tage Schmerzen pro Sommermonat völlig unnötig erleide, weil es Monate dauert, um meinen Antrag auf Auslandsaufenthalt trotz Krankheit zu bearbeiten und ich in der Wartezeit vergehe wie ein Eskimo im Dampfgarer.
Ich bewerte, daß ich in meiner Düsseldorfer Zwangsenklave hinter dicken IKEA-Gardinen nun viel mehr Medikamente einnehmen muß, die alle Versicherten deutlich mehr kosten, während ich meine Schwedenaufenthalte zu 100% selbst finanziere, meine Flucht das System unterm Strich sogar entlasten würde.
Ich bewerte Menschen, welche das System unrechtmäßig ausnutzen. Denn sie sind mit daran Schuld, daß sich das Gesundheitswesen durch 1000 Prüfungen so schützen muß und echte Kranke noch mehr zu erleiden haben, als ihre Krankheit.
Diesen Betrügern wünsche ich nur einen Tag Trigeminus oder Migräne.
Dann würden sie um Gnade winseln.
“Wie heißt das Zauberwort?!”, würde ich dann völlig ungerührt fragen.
“Entschuuuldigung.”
“In ganzen Sätzen!”
“Es tut mir unendlich leid, das Gesundheitssystem betuppt zu haben.”
“Und?!”
“Ich entschuldige mich bei allen chronisch Kranken, die wegen mir jetzt noch mehr Nachteile haben.”
Ja, so schlecht bin ich.
Nix mit christlich noch die linke Backe hinhalten.
Das alles bewerte ich.
Wird Zeit, sich ernsthaft mit Buddhismus zu beschäftigen.
Frühmorgens, wenn der Schmerz noch sanft in pharmazeutischen Kissen ruht, schleppe ich mich für ein Weilchen auf meinen Balkon und dämmere auf meiner Schattenliege, bevor es – tot oder lebendig – Arzttermine und Verwaltungskram zu bewältigen gilt.
“Bekommt der Balkon Sonne?”, fragte ich den Vermieter damals bei der Wohnungsbesichtung.
Er schaute mich ertappt an.
“Nein, sagte er, “den ganzen Tag nicht. Tut mir leid.”
“Phantastisch!”, strahlte ich, “die Wohnung nehme ich.”
Ein sonnenfreier Balkon.
Wo bekommt man das schon?
Manchmal habe ich eben auch richtig Glück im Leben.. 😉
P.S. Und oft nicht: Mitte August wird der Antrag auf meinen Sommerumzug in besseres Klima abgelehnt. Eine andere Umgebung, anderes Essen und Kontakt zu fremden Menschen seien mir nicht zuzumuten. 80 Schmerztage ohne Pause waren mir dafür aber zuzumuten.