Oh je, oh je, wo fange ich an?
Jeden Tag hätte ich den letzten Wochen kilometerlange Texte schreiben können. Dummerweise war ich zu schwach dazu. Denn mein Alltag “on the road” in fremder Leute Wohnungen ist natürlich zunächst einmal viel zeitintensiver, als das Leben in eigenen vier Wänden.
Aber der Reihe nach. Hüpfe ich mal zurück zum 15. Juli 2016. Zumindest in diesem Post. Am nächsten Tag wird meine ganze Wohnung ins Lager umziehen.
Das wissen aber noch nicht alle Gegenstände. Sie lungern in Ecken herum wie die Voll-krass-Handy-Jungs auf der Frankfurter Zeil. Immer wenn ich denke: so, ist ja kaum noch was, ploppt ein neuer Kubikmeter Kram auf. Das Fruchtfliegen-Syndrom.
Nur ein paar Plastikkisten mit Deckel sind schon startklar für Hamburg. Seit Wochen habe ich mich auf diese – krankheitsbedingt mehrtägige – Autotour in den Norden vorbereitet.
Einen super teurern Auto- Luftreiniger für Chemikaliensensible bestellt – der leider bisher nicht eintroffen ist.
Einen zauberhaften Minikühlschrank für meine Medikamente erstanden, der an die Autobatterie angeschlossen werden kann. Chronisch Kranke kennen diese Prioritätensetzung.
Schöne transparente Kisten gepackt, die mein künftiges Leben aus dem Kofferraum erleichtern sollen. Kann ja nicht bei jeder Airbnb-Bleibe alles aus dem Auto in eine Wohnung schleppen.
Und dazu meine mobile “Küche”, um mir immer und überall meinen sagenhaft schmackhaften Reis ohne alles zubereiten zu können.
Dazu die große weiche Bettauflage für ganz schlimme Betten.
Und die superduper sich selbst aufblasende Exped-Matte für halb schlimme Betten.
Zweimal probegepackt habe ich das Auto auch. Seitdem weiß ich, daß ein Polo-Kofferraum ausnehmend klein ist. Mir gings ja mehr um ein fluppendes Getriebe und schöne Leichtmetallfelgen. Das hab ich nun davon.
Aber da es mir immernoch mehr um fluppendes Getriebe und schöne Leichtmetallfelgen geht und ich langsam an dem Punkt im Leben ankomme, an dem ich begreife, daß man selbst mit festestem Willen nicht alles bekommt, trage ich es mit Fassung, die nächsten Monate in derselben Jeans zu verbringen. Zum Glück bin ich in dem Punkt auch sehr männlich veranlagt.
Fürs Probeleben in Hamburg wäre somit alles bereit. Nur eines nicht: Ich.
Mit 20 mentalen Bratpfannen habe ich wochenlang die beißende Sehnsucht nach Stockholm niedergeprügelt. All die Sommerbilder, all das Glück im Mälarsee, meine Freunde…. Wären die Sehnsüchte Pokemons gewesen, hätte ich bereits den Highscore.
Die Vorstellung, einen kompletten Sommer in Stockholm zu verpassen, ist so schrecklich, daß selbst mir, der Labertasche vor dem Herrn, die Worte dafür fehlen.
Nun sitze ich hier mit zig Kisten und Kästen und der Erkenntnis: wenn ich nicht todunglücklich werden möchte, lasse ich mein Auto Montag hier und fliege doch erst einmal in das Zuhause meines Herzens. Ich habe mir ja vorgenommen, in dieser Experimentierphase meines Lebens auf meinen Bauch zu hören. Radikal. Also wird das jetzt auch genauso realisiert.
Fragt sich nur, wann ich bitteschön, dieses Projekt noch vorzubereiten gedenke?
Ich schlafe seit Wochen wegen der streßbedingt tobenden Mastozytose nur noch 3h pro Nacht, dope mich rund um die Uhr mit Medikamenten und kann trotz täglicher Hilfe von Freunden und Bekannten schon lange keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen.
Und diese Szenerie am Abend vor dem Auszug, erhöht auch nicht gerade den Grad meiner Kontemplation.
Warum meine Welt dabei so aussieht, wie auf diesem Foto?
Preßlufthammer.
Nonstop.
Weil mein Vermieterin sich nach 10 Jahren doch mal entschlossen hat, die dauerdurchnäßten Balkone zu sanieren. Womöglich verschwindet dann auch der gesundheitsschädliche Schimmel, wegen dem ich so kurzfristig gekündigt habe.
Natürlich beginnt der Baulärm eine Woche vor meinem Auszug. Und weil selbstverständlich ausschließlich ordentlich angemeldete, osteuropäische Bauarbeiter die Arbeiten durchführen, geht das Getöse bis in die Abendstunden.
Da helfen nicht mal Ohrenstöpsel Deluxe.
Aber ich hab ja Nerven. Sooo viel Nerven. Mann, was hab ich Nerven…
Was ich sonst in zwei Wochen ganz ruhig zusammensuche und auf einen Stockholm-Haufen werfe, muß nun in maximal 1,5h geschehen.
Zack, plumps, zack, plumps. Wild fliegt alles durch die Luft auf verschiedene Haufen. Einpacken muß ich das am Sonntag, jetzt ist keine Kapazität mehr da.
Ich muß nämlich auch die Wohnungssuche, für die ich sonst mehrere Monate brauche, in einem Abend geregelt bekommen,.
Ommm…. Ich bin ganz ruhig…. Ommmmmmmmmmmm…. Kortisol pumpt durchs Gehirn.
Ommmmmmmmmm…
Wild schreibe ich ein paar Airbnb-Wohnungen an. Wild werde ich bei den Antworten: Sorry, Kalender nicht gepflegt, Wohnung nicht frei. Leute, wofür gibt es einen Kalender bei Airbnb?! Möchte gerade gepflegt ein paar verhauen. Aber auch dafür keine Zeit.
Just in diesem hysterischen Oberchaos mailt meine Stockholmer Freundin T., daß sie für ein paar Tage zu ihrer Familie nach Moskau fliegt. Frau E. kombiniert: Dann steht eine Wohnung leer in Stockholm!
Was hab ich für wunderbare Freunde! Wenige Stunden später hat sie organisiert, daß eine andere russische Freundin mir ihre Wohnungsschlüssel geben wird.
Ich hab für einige Tage ein Dach über dem Kopf! Was danach kommt? Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern.
An diesem Abend schlafe ich trotz der Torturen, die am nächsten Tag auf meine fleißigen Freunde und mich noch warten, mit einem Lächeln ein. Noch dreimal schlafen und ich bin ¨zuhause¨! Bis dahin halte ich auch noch durch! Hoffe ich..