G20: Ein paar Gedanken vor der Rückehr in die Normalität

Nun ist der Gipfel vorbei, die ersten Wunden Hamburgs sind beseitigt. Das Netz ist voll mit guten Texten. So zweifele ich natürlich, ob es Text Nr. 250.000 auch noch braucht? Vermutlich nicht. Aber die Gedanken zu meinen wesentlichen Fragezeichen sind bereits getippt, wie immer, wenn mich etwas beschäftigt und ich es verarbeiten muß.

Warum darf die Polizei nicht härter durchgreifen?

In den letzten Tagen der G20-Diskussion wurde immer wieder erwähnt, daß die Polizei nicht härter gegen die Gewalttäter durchgriffe, weil sie sonst dafür kritisiert würde. Bin ich eigentlich die Einzige, die sich fragt, warum Bürger ihre eigenen Beschützer diffamieren? Für was sonst ist die Polizei denn bitteschön da? Gut zureden oder jemanden am Arm festhalten, können wir Bürger auch.

Die Polizei existiert, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Das ist ihre Aufgabe und diese sollte sie mit allen Mitteln erfüllen können. Und ich meine mit allen. Ich bin zumindest wahnsinnig dankbar, daß es Menschen gibt, die ihre eigene Sicherheit für uns aufs Spiel setzen. Und ihre Ängste überwinden. Jeden Tag von Neuem. Natürlich ist es ihr Beruf und sie werden dafür bezahlt. Aber was, wenn niemand ihn mehr ausüben wollte, weil der ganze Einsatz am Ende doch nur kritisiert wird?

Da sind Menschen, die sich monatelang dezidiert auf ihre brutalen Gewaltakte vorbereiten. Die stehen nicht morgens auf, schauen aus dem Fenster und denken: Och, wo ich heute eh schwarz trage, mach ich mal den Mitläufer. Nein, die setzen all ihre Energie dafür ein, unserer Gesellschaft massiv zu schaden und gezielt Polizisten zu verletzen. Oder zu töten.

Steine auf Menschen zu werfen oder jemandem einen Molotowcocktail entgegen zu schleudern, ist aus meiner Sicht versuchter Mord. Da wäre es für mich vollkommen gerechtfertigt, solche Leute mal gepflegt in die Beine zu schießen, um sie außer Gefecht zu setzen. Wir sind hier doch nicht im heilpädagogischen Kindergarten.

Wenn ich diese Bilder hier sehe, bin ich auch jetzt noch so wütend, daß mir fast die Worte fehlen. Aber nur fast. (Quelle: Polizeikontrollen Hamburg auf Facebook)

So lange diese autonomen Gruppen wissen, daß es einen riesigen Aufschrei gäbe, wenn nur einem von ihnen ernsthaft ein Haar gekrümmt würde, können sie fröhlich weiter solche Aktionen wie jetzt in Hamburg planen. Die Wahrscheinlichtkeit, das ohne gravierende Verletzung oder längeren Gefängnisaufenthalt zu überstehen, schätze ich als Justizlaie auf 95%. Ich freue mich natürlich, falls mich Nachrichten zu Gefängnisstrafen für die Randalierer aus dem schwarzen Block eines Besseren belehren.

Würden die feige maskierten Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem persönlichen Schaden ausgehen müssen, hätten wir wohl nur noch ein kleines schwarzes Micro-Blöckchen übrig. Die wenigstens von diesen Trupps würden für ihre Überzeugung hohe Risiken eingehen. Weil sie nämlich keine haben. Genauso wenig wie Eier oder Hirn.

Wer ist der schwarze Block?

Wer Eier hat, würde sich nicht vermummen, wenn er brutale, hirnlose Dinge tut. Er würde offen zeigen: Sehr her, ich bin so dämlich zu glauben, daß es irgendeinen der G20-Politiker juckt, wenn ich Autos abfackele und Scheiben einschlage. Das ist mein dummes Gesicht. Und mein feiges Gesicht. Alleine traue ich mich das nämlich auch nicht. Nur mit meinen Kumpels zusammen. Da fühlen wir uns stark. Aber so richtig stark fühlen wir uns auch nicht, deshalb brauchen wir eine schwarze Uniform.
Darth Vader für Arme.

Interessant übrigens: Rechtsradikale vermummen sich – so weit mir bekannt – auf Demonstrationen nicht. Trotzdem ist ihr Ansehen in der Bevölkerung noch niedriger, als das der linksradikalen Szene. Ich habe langsam den Eindruck, daß die linke Szene einfach weniger ernst genommen wird. Verniedlicht. Wie der Nachkömmling in der Familie: der kleine Krawalli, dem man alles durchgehen läßt. Wohin das führt, sehen wir jetzt.

Ist das schon Krieg?

Viele vergleichen die Situation der letzten Tage mit Krieg. Das kommt mir so vor, wie wenn Leute, die von meinen zwei Jahrzehnten Post-Hirntumor-Gesichtsnervenschmerzen hören, sagen: Ja, ich hab auch manchmal Kopfweh.

Wir sollten die Geschehenisse nicht im negativen Sinne aufwerten, indem wir das Wort Krieg in den Mund nehmen. Damit geben wir den eierlosen Hanseln nicht nur mehr Bedeutung, als sie je erlangen können, sondern werten das elende Leid all derer ab, die sich in echtem Krieg befinden. Oder aus selbigem zu uns geflohen sind.

Es waren schlimme Bilder und Tage, aber letztendlich haben wir “nur” Materielles verloren. Es gibt Verletze, aber so weit ich weiß, keine Toten. Und der Zustand war lokal und temporär begrenzt. Wir wußten alle, daß er in Kürze endet. Menschen im Krieg können von dem Luxus nur träumen. Sie müssen Jahre mit dem Hunderfachen unserer Ängste leben. Ihre komplette Existenz ist ruiniert. Sie hungern, frieren und sterben jämmerlich. Im Bombenhagel.

Nein, ich finde, wir Wohlstandskinder dürfen das Wort Krieg angesichts von kurzen Unruhen, die in anderen Ländern auch ohne G20-Gipfel an der Tagesordnung sind, nicht in den Mund nehmen. Wir sollten dankbar sein, daß die Polizei trotz gewisser Defizite die Lage gut im Griff hatte. Und daß wir keine 24 Stunden später weiter leben wie zuvor. Bis auf die 200 verletzten Polizisten, denen ich von Herzen gute Besserung wünsche! Und den friedlichen Demonstranten, die zu Schaden kamen, ganz genauso.

Und jetzt?

Aufräumen. Nach vorne schauen. Das Leben wird vorwärts gelebt.
Die Hamburger haben hier schon Phantastisches auf die Beine gestellt: Bereits am Sonntag trafen sich rund 1000 Menschen mit Eimern und Besen “bewaffnet” an der Sternschanze und kehrten den Dreck vom Dreck zusammen. — Ich weiß nicht, wie ich das tolle Video integriert bekomme, aber wer auf Facebook ist, findet es im Stream hinter diesem Link: Hamburg räumt auf (Film vom 9.7.2017)

So hat der sinnlose Haß dieser Chaoten etwas geschaffen, das es sonst nicht gegeben hätte: Einen Tag intensiver Gemeinschaft. Aus Schutt und Asche entstehen oft die schönsten Blumen.

Und meine neue Heimat Hamburg ist fast schon wieder die Stadt, die sie vor dem G20-Gipfel war.
Weltoffen.
Und friedlich.