Mit Schlafzimmerklaustrophobie nach Stockholm: eine Herausforderung in 43 Akten

Wenn es nach mir ginge.. 😉

Das kann doch nicht so schwierig sein, sagt der Nachbar.
Ja, ja, sage ich.
Nicht so schwierig ist relativ, denke ich.

Wir reden von meiner Wohnungssuche für den Sommer in Stockholm.
Der Gedanke, daß meine 24/7-Schmerzen durch die nahende Zeit schwüler Wärme noch viel heftiger ausfallen, als sie durch das Kapriolenwetter aktuell sowieso schon sind, läßt mich tapfer stapelweise Anzeigen im Internet durchforsten.

Grundsätzlich habe ich auf dem Markt gute Karten: als “ältere Dame” ohne zwei- oder vierbeinigen Anhang habe ich einen hohen Untermieterwert. Ich feiere keine Parties, rauche nicht, steppe nicht, mülle nicht die Butze voll. So bekomme ich überproportional oft positive Rückmeldungen.
Das ist ein guter Schnitt bei 70-100 Antworten, die jeder Annoncierende in den ersten Tagen erhält.

Dann erbitte ich mehr Fotos von der Wohnung und wenn ich sie sehe, sacken meine Schultern zu 98% eine Etage tiefer.
Das liegt nicht an der Attraktivität der Einrichtung. Ganz im Gegenteil.
Auch steht kein Terrarium mit einer Vogelspinne neben dem Sofa.

Es liegt an der fulminanten Imkompatibilität einer Eigenschaft von mir und einer Eigenschaft Stockholmer Wohnungen.
Ich bin nämlich ein akuter Fall von Schlafzimmerklaustrophobie.

Nie gehört?
Ich auch nicht.
Ist aber so.

Ich könnte seelenruhig in Fahrstühlen steckenbleiben oder stundenlang in einem Pappkarton vor meinem PC sitzen.
Nur schlafen kann ich nicht in kleinen Räumen.
Nach vierzehn Krankenhausaufenthalten war irgendwann Feierabend mit der Genügsamkeit beengten Schlafens.

Besonders logisch ist das ja nicht.
Schließlich habe ich die Augen zu.
Aber Gefühle sind in den seltensten Fällen logisch.

Niemand ist bisher von einer Mango attackiert worden.
Ich bin mir aber sicher, da draußen gibt es Menschen, die Panikattacken bekommen, wenn sie im Supermarkt an Mangos vorbeigehen.
Es gibt Ängste gegen alles und nichts.
Das muß man respektieren, auch wenn man es nicht nachfühlen kann.

Nun trifft also meine Bedürfnis nach Licht und Luft auf den Kampf der Stockholmer um jeden Quadratmeter.
Und wer verliert den?
Das Schlafzimmer.

In Stockholm steckt man lieber jeden verwendbaren Zentimeter in eine repräsentative Küche, als in sein Reich der Träume.
Am Ende kommt bei kleinen Wohnungen etwas heraus, das sich schämen sollte, den Namen Zimmer zu tragen. Für mich sind dies Schlaflöcher.

Es gibt Schlaflöcher unter der Decke. Sie heißen sovloft

Daneben existiert der sogenannte sovalkov, ein Schlafloch in einem Eckkabuff:

Die gehobene Variante sind Schlaflöcher mit Tür und Wänden, dafür aber gerne mal ohne ein Fenster. Sie werden oft bereits als sovrum bezeichnet.

So wie das “Frankfurter Bad”, gib es auch ein “Stockholmer Schlafzimmer“. Hier hat man das Bett in den kleinen, umglasten Eßbereich neben der Küche gequetscht. Es geht doch nichts über das sonore Brummen der Kühl-Gefrier-Kombi am Kopf..

Natürlich leben viele Stockholmer in Wohnungen mit – nach deutschen Maßstäben – “richtigem” Schlafzimmer. Es gibt auch hier wahre Schlafzimmerfluchten.
Wohntraumbesitzer haben es aber meist nicht nötig, ihre Wohnträume zu vermieten, wenn sie monatelang abwesend sind. Oder sie bieten ihre Wohnträume an, aber dann verursacht der Preis bei mir Schnappatmung und nicht das Schlafzimmer.

Wie sagte die Dowager Countess Lady Violet aus Downton Abbey so schön: “There’s always something.”

Warum man Wohnungen, die samt Bad, Küche und Flur 35qm messen noch in zwei “Zimmer” unterteilen muß, ist mir ein Rätsel.
Wenn es nach mir ginge, würde ich allerdings auch in einem Loft wohnen: Alte Näherei, fünf Meter hohe Decken, Immobilenporno pur.

Und weil das alles so ist wie es ist, suche ich mir jedes Mal einen Wolf, bis ich eine Wohnung gefunden habe, bei deren Schlafzimmerblick ich nicht direkt in Schnappatmung verfalle.
Früher oder später habe ich meist noch einen Fitsch gelandet. Wie zum Beispiel im Sommer 2012, als ich dieses 1A-Superduperschönundtolleskarma-Schlafzimmer beschlummern durfte:

Es wird gelingen. Ommm…

P.S. Ein Tipp für alle, die nach einem Hotel suchen und ebenfalls nicht ganz unklaustrophobisch veranlagt sind: Aufpassen, ob Euer gebuchtes Zimmer ein Fenster hat. Auch in guten Hotels werden Räume ohne Fenster angeboten!