Wenn man Tabletten einwerfen muß wie Smarties auf Kindergeburtstagen, ergeben sich n über k an Nebenwirkungen. Eine davon sind teilweise kuriose Traumlandschaften.
Heute morgen wachte ich nach einer Luxusparty in Beverly Hills auf. Warum ich dort gelandet war, hatte mir mein Traum nicht erzählt.
Ich stand dort also wie ein Alien unter Menschen, die das gegenteilige Wertesystem von meinem haben.
So beobachtete ich in meiner Teeniezeit schon Parties von einer Cousine, wo sich die Mädchen gegenseitig ihre Chanel-Täschchen und Hermès-Gürtel präsentierten.
Ich stiefelte dort bewußt in der Wildlederjacke meines Vaters aus den 60er Jahren hin, auf daß meine Cousine sich auch ordentlich für mich schämte.
Auf der Beverly Hills-Party in meinem Traum war ich Rangletzte im “Hauptsach teuer”-Szenario.
In einem Flur, der größer war als meine aktuelle Wohnung, lehnte ich an der marmorierten Wand und ließ die häßlichkeitsoperierten Geschöpfe in den knallbunten Luxusroben an mir vorbeiziehen, als Gisele Bündchen mir auf die Schulter klopfte.
Und vor mir stand Gisele!
“Hiii, how are you?” quietschte mir die schönste Frau der Welt entgegen. (Das meine ich jetzt ausnahmsweise mal ernst.).
Offenbar kannten wir uns.
Mir war dummerweise entfallen woher.
Sie stellte mir ihren husband vor und nach dem üblichen Austausch von Tiefsinnigkeiten (“Greeeat! And how are you?” “Great.”), verschwand sie auf der Damentoilette, um sich die Nase zu pudern.
Oder was man in Hollywood-Kreisen sonst dort veranstaltet.
Da stand ich nun mit ihrem husband, der aber nicht der Football-Spieler Tom Brady aus dem Real Life war, sondern ein hochgewachsener Blonder, der – trüge er keine goldenen Cowboystiefel an den Füßen und einen ebenso goldenen Gürtel um seine leckeren Lenden – für mich einen ausgesprochen hohen Feuchtehöschenfaktor gehabt hätte.
Ich bemühte mich, ihm möglichst wenig in die Augen zu sehen, was angesichts der Schuhe keine Schwierigkeit war.
“Die würde ich in den Safe packen für schlechte Zeiten”, flachste ich. “Jetzt, wo der Goldpreis so gestiegen ist.”
“Ja.”, antwortete er toternst und erleichterte mich damit ein großes Stück von der Sorge, ihn atttraktiv zu finden.
Vergebene Männer sind für mich nämlich nicht mal für einen harmlosen verbalen Flirt zulässig.
Irgendeinen Ehrenkodex muß man ja heutzutage noch haben.
“Seitdem wir eine Kiste Gold zuhause haben, fühle ich mich sicherer.”
Das konnte ich mir vorstellen, nur nicht aus der Praxis.
So eine Kiste Gold als Sicherheit ist schon was Feines. Besitztümer dagegen nicht, dachte ich. Und da war ich offenbar bereits einigermaßen wach, denn das ist seit jeher meine Lebensmaxime:
Besitz bindet.
Ich fühle mich von Gegenständen gebunden, belastet. Man muß sie pflegen, putzen, administrieren, bewachen, versichern und möglicherweise noch mit ihnen umziehen.
Aus dem Grund wollte ich auch noch nie Hausbesitzerin werden oder ein Auto haben. Als ich phasenweise doch ein Auto mein Eigen nannte, erwarb ich es weniger, um es zu fahren, sondern, um es zu lieben und an ihm herumzuschrauben.
Aber das ist ein anderes Thema.
Vor vielen Jahren überlegte ich, mir familientraditionsgemäß eine teure Uhr zu kaufen. So eine Uhr fürs Leben.
Eine Uhr fürs Leben hat aber den Nachteil, daß andere diese Uhr fürs Leben vielleicht auch gerne besäßen.
So eine Uhr fürs Leben kann man super jemandem vom Arm entwenden oder sonstwie stehlen und auf Kanälen verticken, die redliche Bürger nicht kennen. So eine Uhr fürs Leben hätte mein Leben also ziemlich unfrei gemacht.
Ich wäre ständig in Sorge gewesen, daß der Uhr fürs Leben was zustößt. Oder mir. Wegen der Uhr fürs Leben.
Am Ende entschied ich mich dann für eine Uhr nicht fürs Leben, die ich sorglos überall ablegen kann und investierte das Uhr fürs Leben-Geld in meine Stockholmer Sommer. Da war es gut angelegt, denn dort erlebte ich frische Luft und schöne Momente – fürs Leben.
Und jedes Mal, wenn ich zurückkam, nachdem ich Monate glücklich aus zweieinhalb Koffern gelebt hatte, stand ich in meiner Wohnung und fühlte mich erschlagen. Auch in puristischen Haushalten sammelt sich einiges an.
Am Liebsten hätte ich meine Kreditkarte genommen, die Wohnung verschlossen und den Schlüssel verschenkt. Und irgendwann wird das auch so kommen. Ich tüftele daran.
Bis dahin werde ich sicher noch ab und zu an Giselles hübschen Mann denken.
Und wie schade es ist, daß hübsch nix ist ohne pfiffig.