Grundsätzlich mag ich ja den Winter.
Man kann sich darauf verlassen, daß die Temperaturen unter 20 Grad liegen.
Manchmal gibt es Schnee, manchmal aber auch nicht.
Knirschende Mausekälte mit Schnee finde ich wunderbar.
Dieses graue Geniesel, das wir hier seit Wochen erleben, aber nicht.
Gar nicht.
„Datt is nix Halbet un nix Ganzet“, hätte meine Omma gesagt.
Zwei Tage vor Weihnachten mag ich es so dermaßen gar nicht, daß ich früh morgens in der Wetterkarte nachschaue, wo gerade Licht angesagt ist und kurzerhand einige Dinge in mein Köfferchen werfe.
Ziel: Palma.
48h Licht und frische Meeresluft tanken, dann kann Weihnachten starten.
Licht, Licht, Licht.
Tirili..
Ich reihe mich in die Checkin-Schlange bei Air Berlin ein und schalte mein Gehirn auf standby.
Das klappt vormittags besonders gut.
Da bleibt es aber nicht lange.
¨Die sind von Louis Trenker¨, brüllt eine Männerstimme vor mir.
Ich blicke hoch.
Ein gepflegter Mittsiebziger.
¨Mit den Stiefeln können Sie auf den Himalya steigen¨, antwortet der Senior hinter mir.
Ich überlege, ihm meinen Platz anzubieten.
Frühmorgens vertrage ich Seniorenradio in stereo nicht.
¨Neee, da steige ich nicht rauf. Das ist nur was für Idioten.¨
Ja dann.., denke ich.
Sofort folgt das schlechte Gewissen.
Pia, nun sei doch mal nett.
Er ist bestimmt viel allein und hat wenig Ansprache.
Dann fällt mir ein: in meinem Homeoffice bin ich auch viel allein und habe wenig Ansprache.
Quatsche ich deshalb jeden voll, der versehentlich Blickkontakt mit mir aufnimmt?
Nö.
(OK, ich schreibe einen Blog.. )
„Wo fliegen Sie hin?“
Jetzt belagert der Typ die Dame vor sich.
„New York??? Was wollen Sie denn da? Da sind doch nur Langweiler!“
Jetzt schraubt er den Ton auf Stufe 11 (von 10) und setzt nach:
„ÏCH will nicht mehr nach Amerika! Nur Langweiler da!!“
Ein Herr aus der Nachbarreihe applaudiert.
Er steht in der USA-Schlange.
Dann dreht sich Mr. Brüll wieder um.
Nein, bitte nicht, bitte nicht.
Bitte rede jetzt nicht mit mir.
Ich tackere meinen Blick aufs Smartphone.
Er tackert seinen Blick auf mich.
Ich schaue nicht hoch.
Und wenn ich mit dem Kopf gegen das Air Berlin Schild renne.
„Achhhh jaaaa“, seufzt er.
Zwanzig Sprüche später stehe ich vor der Checkin-Dame.
Es hat keine Toten gegeben.
Das möchte ich hier nur mal gewürdigt wissen.
„Palma?“
„Oh“ , sagt sie, „ganz schlecht“
Gut, das höre ich als Standby-Reisende fast jedes Mal.
Am Ende findet sich meist doch noch ein Plätzchen.
Hier nicht.
Ganz schlecht heißt heute nämlich, daß die Maschine defekt ist.
Ich möchte doch bitte zum Ticketschalter und so..
Ich will Licht.
Heul.
Am Ticketschalter stehen all die Menschen, deren Maschine ausgefallen ist.
Gute Stimmung da!
So hab ich mir meinen Kurztrip vorgestellt.
Wenigstens ist mein kommunikativer Freund nicht dabei.
Den haben sie hoffentlich direkt nach Accra ausgeflogen.
Oneway.
Nachdem ich einem älteren Ehepaar viermal erklärt habe, daß die Dame am Ticketschalter NICHT Schuld ist am Ausfallen der Maschine und mir das warme Snickers eines Minipassagiers mit meinen Abschminktüchern schön auf dem Hosenbein verteilt habe, bin ich fast an der Reihe.
Fast.
Vor mir steht Herr Wichtig.
Herr Wichtig ist Mitte Fünfzig, hat lange kein Fitneß-Studio von innen gesehen, was bei seiner Körperlänge eine entscheidende Fehlentscheidung darstellt und macht der Dame klar, was das kostet, wenn er heute nicht mehr nach Palma kommt.
„Ich koste 200 Euro die Stunde. Zwaaaihunndääärt!“
Bei einem Mann, der 200 Euro die Stunde kostet, würde ich doch wenigstens einen Waschbrettbauch erwarten.
Und älter als 29 sollte der dann tunlichst auch nicht sein.
Die Dame nickt gottergeben und sucht das Beschwerdeformular.
„Wissen Sie was ich wert bin??”
Die arme Gattin!
Nun freut sie sich womöglich gerade zuhause, daß sie jemanden zu Besuch hat, der seine 200 Euro die Stunde wirklich wert ist und dann naht der Boomerang.
Inzwischen ist auch der Ersatzflieger am Start.
Nur leider ohne mich.
Er ist nämlich deutlich kleiner.
Ich will Licht.
Heul.
Aber Licht gibt es heute nicht und auch nicht morgen oder übermorgen.
Einen halben Liter Starbucks-Tee und acht Balisto später sitze ich in der S-Bahn nach Hause.
Jetzt brauche ich nur noch zwei Tage nonstop meine Reiseschnittchen verzehren und dann bin ich wieder da, wo ich vorher war.
Nur mit einem Text mehr.
Das ist ja schon mal was, oder?
P.S. Am nächsten Tag bin ich stattdessen holterdipolter nach London geflogen. Und was ich auf dem Turbo-Trip erlebt habe, lest Ihr hier.