DIE Ungeimpften gibt es nicht!

Weihnachten klingt aus. War es ein Fest der Liebe? Oder hat sich die generalisierte Verachtung gegen alle noch nicht gegen Covid-19 Geimpfte unter die geschmückten Tannenbäume geschlichen?

Nicht alle Geimpften sind leicht zu der Entscheidung gekommen, sich (bisher) impfen zu lassen. Nicht alle Ungeimpften sind leicht zu der Entscheidung gekommen, es (bisher) zu lassen!

Im Gegenteil: für Menschen mit komplexen Erkrankungen ist das ist eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera! Trotzdem wird diese Gruppe pauschal und brutal mit abgeurteilt. Für mich als Ex-Historikerin gleicht das einer Hexenjagd im Mittelalter.

„DIE Ungeimpften“. Welche per se nur eine Horde ungebildeter Schwurbler und Rabauken sein kann, mit dem IQ eines Knäckebrots und AfD-Wähler sowieso. Mindestens. Wenn nicht gleich noch NPD-Ortsvorstand im Osten.Die Ungeimpften, die Ausländer, die Juden, die Homosexuellen..?

Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn Politiker in jede Kamera über „DIE Ausländer“ hetzen würden. „DIE Ausländer“ als homogene Gruppe, die nur Übles will und mit allen Mitteln brutal zu bekämpfen sei.

Oder plötzlich wieder „DIE Juden“ hervorkramen als Ursache aller gesellschaftlichen Probleme. Oder DIE Homosexuellen. Was wäre da los in Deutschland? Und wie wäre die Rezeption in der Welt?

Wenn sich ausschließlich die grosse Masse im Internet so verhalten würde, könnte man noch denken: OK, genauso wie Geld und Attraktivität, verteilt sich Hirn ja pyramidal.

Und je weiter unten, desto mehr Zeit verbringen Menschen damit, ihre kostbare Energie auf Social Media in virtuelle, entgleisende Kleinkriege mit ihnen völlig unbekannten Menschen zu verplempern.

Aber so ist das leider nicht. Ungeimpfte werden nicht nur im Alltag massiv angegangen, sondern genauso von Politikern und Journalisten.

Ging es nicht am Anfang der Pandemie mal darum, Menschen zu schützen, die aufgrund ihrer medizinischen Vorgeschichte ein zu grosses Risiko beim Impfen eingehen?

Wo um Himmels Willen ist dieser Ansatz geblieben?!

Habt Ihr, die Ihr Euch als Politiker in Interviews, als Promis in den Medien, als Normalbürger auf Socia Media äußert, mal überlegt, wie es den vielen Menschen ergeht, die schon vor Corona komplett aus der Gesellschaft hinaus fielen durch chronische Krankheiten und bisher wenig erforschte Unverträglichkeiten in jede Richtung?

Die Vergessenen, die seit Jahren allein und von den meisten Menschen und vom Gesundheitssystem sowieso im Stich gelassen, schwer leidend vor sich hin vegitieren. Die alles verloren haben und einen Gang in den Supermarkt feiern wie früher einen Karrieresprung?

Für uns ist das Internet lebensnotwenig. Und wenn Ihr Euren geballten Hass auf DIE Ungeimpften auf jeder Plattform breit tretet, wie fühlt sich das wohl an?

Ja.

Genau.

So.

Als würde man mit Springerstiefeln auf einen Angeschossenen springen.

Weil fast niemand es mehr für nötig erachtet, bei seinen Ausführungen zu erwähnen, dass er/sie natürlich nicht Personen meint, für die eine Covid-Impfung riskant wäre.

(Und zwar nicht nach den aktuell geltenden Impfausschluss-Regeln, die sowieso nahezu niemand erfüllen kann, egal wie wahrscheinlich es ist, daß er oder sie sich mit einer Impfung das eigene Grab schaufelt.)

Es gibt viele Gründe für Skepsis gegenüber Covid-Impfungen

Weil die Impfstoffe noch so neu sind.

Oder man selber bzw. ein Familienmitglied seit Jahren schwere Folgen einer anderen Impfung auszubaden hat.

Oder beim Impf-Abo sowieso kein Ende absehbar ist.

Oder immer mehr Fälle mit Langzeitfolgen bekannt werden.

Oder weil die Zahlen trotz der vielen Impfungen und 2-G-Regeln dennoch explodieren.

Oder weil viele Infektionen an Orten geschehen, wo gar keine Umgeimpften sind.

Oder, weil man es 2x gemacht hat und dann Langzeitwirkungen bekam und deshalb nun kein weiteres Mal wagt.

Das sind alles legitime Gedanken. Und es gibt sicherlich noch viele mehr, auf die ich hier gerade nicht komme. Skepsis muß erlaubt sein. Sonst landen wir nämlich genau da, wo wir in Deutschland schon mal waren.

Manchmal lese auch ich Theorien zu dem Thema, die ich gar nicht nachvollziehen kann. Dennoch ist es meine Aufgabe, diese zu akzeptieren.

Ich lebe in einer Demokratie. Und da muss ich aushalten, dass Menschen Ansichten vertreten, die mir schleierhaft sind.

Umgekehrt erwarte ich aber auch von den Menschen, die mich in ihrer Aufgabe als Politiker repräsentieren, dass sie nicht nur Menschen verschiedener Religionen mit Samthandschuhen anfassen, sondern auch die durchaus disparate Gruppe der bisher Ungeimpften mit Respekt behandeln. Pauschalisierung radikalisiert!

Was ist das für eine Gesellschaft, die nonstop über Mobbing diskutiert, inzwischen jeden behandelt wie ein rohes Ei, aber auf der anderen Seite brutal einseitig eine höchst disparate Menge an Menschen pauschal heruntermacht?

Und woher kommt so viel Hass?

Hass entsteht aus Angst

Angst vor Ungewissheit. Angst vor neuen Lebenslagen. Angst, dass das Leben nicht so einfach in Schubladen zu denken ist, wie es sich gut anfühlt.

Die Pandemie zieht vielen nicht nur rein praktisch-finanziell, sondern auch seelisch den Boden unter den Füßen weg. Und um diesen Stress loszuwerden, kommt ein Buhmann immer recht. Besser noch eine ganze Buh-Gruppe. Hallo, Ungeimpfte!

Einfache Antworten wirken stabilisierend. Nach dem Motto: wenn sich alle künftig 3-4x im Jahr impfen lassen würden, hätten wir den ganzen Mist nicht mehr an der Backe.

Dass das offenbar nicht die alleinige Lösung ist, schwelt vermutlich bei vielen bereits tief im Unterbewussten mit. Doch der Gedanke scheint so unerträglich, dass man lieber noch lauter auf DIE Ungeimpften los kreischt.

Wer souverän in sich ruht, kann nicht hassen.

Für mehr Respekt und Bescheidenheit!

Dass es auch komplett anders geht, erlebe ich immer wieder in meinem Teilzeit-Leben in Schweden. Auch schon lange vor Corona. Hier herrscht so viel Respekt vor Mitmenschen und dem individuellen Anderssein bei gleichzeitiger Bescheidenheit, daß ich in inzwischen fast 30 Jahren, die ich dort Zeit verbringe kein einziges Mal angegangen wurde.

In Deutschland braucht man nur das Haus verlassen und schon erklärt einem jemand die Welt, was man falsch macht oder läßt seinen General-Frust an einem aus. Und sei es nur beim Autofahren. Es gibt also durchaus Alternativen, mit dieser schwierigen Weltsituation umzugehen!

Könnte man mal drüber nachdenken. Gerade jetzt zum Fest der Liebe. Damit es nicht ein Fest der Hiebe wird.

Ich wünsche Euch Frieden im Herzen  – trotz der schwierigen Umstände!

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