[zu Teil 1.1!] Haben wir mit unserem westlichen Vorgehen überhaupt noch eine Chance zu einer länger anhaltenden Deeskalation im Expansionsstreben Putins?
Wer mindestens gut bürgerlich aufgewachsen ist, kann sich diese seelischen Grundunsicherheiten gar nicht vorstellen, welche durch schwierige Verhältnisse in Menschen angelegt werden können. So auch in Putin.
Despoten im Elfenbeinturm
Wer durch Angst regiert, bekommt von seinen Schergen irgendwann auch nicht mehr die Wahrheit über die reale Lage gesagt. Weil die Schergen Angst um ihr eigenes Leben haben.
So geraten Diktatoren in einen mentalen Elfenbeinturm, aus dem heraus sie noch von einem “Endsieg” phantasieren, wenn um sie herum bereits alles in Schutt und Asche liegt.
Wie lange darf er die Grenzen austesten?
Bedrohen wir Putin gerade nicht zu viel, sondern zu wenig?
Als würde man seinem Kind verbieten, an die Süssigkeiten zu gehen, aber gleich hinterher schicken: Es gibt aber auch keinen Ärger, wenn Du es doch machst.
Konnten wir das nicht etwas nebulös lassen mit dem potentiellen Eingreifen der NATO?
Putin scheint seine Grenzen schon fleissig zu testen: Oder warum flogen vier russische Kampfflugzeuge Anfang März durch den schwedischen Luftraum? Die hochtechnisch ausgerüsteten und trainierten Piloten sind ja beleibe nicht so orientierungslos wie ich, die ich nach einmal abbiegen nicht mehr weiß, wie ich nach Hause komme.
Und die Bombardements sehr nah an der polnischen Grenze? Zufall, wenn man eigentlich vor allem in der Ostukraine aktiv ist?
Ich verstehe den Ansatz der NATO, nicht einzugreifen, bevor nicht ein NATO-Land angegriffen wird. Niemand möchte einen 3. Weltkrieg!!!!!!!!!!!!!!
Doch bis Sanktionen wirklich greifen, liegt auch das letzte Haus in der Ukraine in Schutt und Asche. Wird es ausreichen, die Ukraine für den Weltfrieden zu opfern?
Ich würde unendlich gerne glauben, daß Putin demnächst Ruhe gibt! Befürchte aber, das ist nur eine Ruhe, um wieder aufzurüsten und irgendwann in der Zukunft die nächste Region zu okkupieren. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Ganze ist gerade nur ein Teil eines Weges, den Putin seit mindestens 15 Jahren beschreitet.
Ist es besser frühzeitig radikal auf den Tisch zu hauen oder darauf zu hoffen, daß sich das Problem langfristig doch von alleine löst? Ich weiß es nicht!
Was hat Putin als Person aktuell zu verlieren?
Abgesetzt und entmachtet zu werden, ist für ihn vermutlich schlimmer, als zu sterben. Und klein bei zu geben auch. Wo soll er auch hin danach? Von der Welt belächelt Blümchen auf seiner Datsche bewässern?
Vielleicht weiß er bereits, unheilbar krank zu sein und zieht deshalb alles mit dieser scheinbar unlogischen Brutalo-Konsequenz durch? Sein Art von Vermächtnis in der Welt?
Wenn die einzige Alternative, die die Seele verkraftet, die Aggression nach vorne ist, gibt es keinen intellektuellen Verhandlungsspielraum mehr.
“Hier geht es, meinem Empfinden nach, ja nicht um Regionen oder Bodenschätze. Hier geht es um Zorn, Ärger und Vergeltung. “ICH, Putin, habe gesagt, kommt mir nicht zu nahe. Und ihr habt es dennoch gemacht!”
Gefühle machen blind. Blinde Wut. Das Gefühl, nicht mehr einlenken zu KÖNNEN. Nicht das Gesicht zu verlieren. Auch nicht vor sich selber.
Warum morden Menschen im privaten Bereich? Eifersucht, Neid, Rachsucht, Ängste. Das ist im Grossen nicht anders. Ein in sich ruhender, liebender Hitler hätte weiter Landschaftsbilder gepinselt.
Wie weit könnte Putin gehen?
Eines habe ich als frühere Historikerin immer wieder bemerkt: daß Menschen – egal in welchem Jahrhundert – nicht glauben, wie schlimm alles noch werden könnte. Weil sie es nicht glauben wollen. Bis es zu spät ist.
Deshalb bin ich immer eine Freundin davon, mich frühstmöglich mit allen potentiellen Szenarien auseinanderzusetzen.
Was könnte passieren, wenn die Aussage der NATO konsequent durchgezogen würde? Wäre ich ein Putin, würde ich nach der Ukraine erst mal in Georgien loslegen und mir damit die gesamte nördliche und östliche Schwarzmeerküste einverleiben. Belarus ist ja eh schon virtuell bei ihm.
Dann zur Sicherheit die Republik Moldau mit Transnistrien. Bis dahin dürfte die NATO ja dann theoretisch immernoch nicht interagieren. Ganz weit gedacht, könnten ja selbst Finnland und mein geliebtes Schweden als Nicht-NATO-Länder eingenommen werden. Dann hätte Putin schon einen grossen Teil der Ostseeküste.
Ob ihm bis dahin nicht längst Geld, Männer und Material ausgegangen wären angesichts der Sanktionen? Nun, wenn Deutschland weiterhin 6 bis vielleicht durch Preissteigerungen bald 18 Milliarden pro Monat in seine Kriegskasse pumpt.. (Wofür ich mich bitterlich schäme.)
Und wenn ich lese, daß Indien gerade noch Ölgeschäfte startet.. Und falls China unterstützend eintritt. Seine Kumpanen China und Indien haben zusammen 2,8 Milliarden Einwohner. Ein Gehalt als russischer Söldner ist für die meisten dort vermutlich immernoch traumhaft hoch.
Bei Hitlers Invasion in Polen hat man sich in entfernteren Ländern sicher auch erst mal ruhig zurück gelehnt und gedacht: Das betrifft mich nicht. Und was passierte? Am Ende war es ein weltweiter vernichtender Krieg. Fast 6 lange Jahre und unendliche Zerstörung und Leid!
Was tun?
Schwierig, jetzt, wo die Aussage, daß die NATO definitiv nicht eingreift, schon getätigt wurde. Und wir immernoch am russischen Öl/Gas hängen. Wichtig wäre mir, nicht länger aus einer rosanen “Das kann der doch nicht ernsthaft machen…”-Wolke zu entscheiden.
Ich habe selber grosse Schwierigkeiten damit, bei Menschen, die sich unfair und unrechtmässig mir gegenüber verhalten, einzusehen, daß ich sie nicht durch Argumentation und Vernunft erreiche. Und daß sehr oft nicht Gerechtigkeit siegt, sondern pure Brutalität.
Ich nehme – weil ich krankheitsbedingt oft nicht mal die Muskelkraft habe, zu sprechen – immer wieder grosse Verluste auf meiner Seite in Kauf.
Aber die Welt ist kein
schwer krankes, angeschlagenes Reh.
Und sie sollte sich auch nicht dazu machen.
So sehe ich das alles aktuell. Als politischer Laie. Möge ich mich – was Putin betrifft – doch noch ganz doll irren!