Totgequatscht über dem Mittelmeer


Diese Ruhe mußte ich mir verdienen.. 😉

Oh, ist das schön!
Der Flieger ist nicht überfüllt.

Am Fenster ich, dazwischen Luft, dann eine nette ältere Dame als Prellbock zur Welt.
Besser könnte es nicht kommen für jemanden, dessen Grundstimmung eine Fracking-Bohrung erforderte, um den unterirdischen Level zu finden.
Ich werfe meine FAZ auf den Nachbarsitz und schaue mit gemäßigtem Trübsinn aus dem Fenster.

“Soooo sieht man sich wieder!!!”
Wer sieht sich wieder?
Ich kenne hier keine S..

Die Nervensäge vom Gate und ich.
Strahlend plumpst er zwischen die Dame und mich.

Ich fass es nicht!
Tausend Mittelplätze im Flieger frei und ausgerechnet hier muß der sich niederlassen.
“Wir machen es uns schon gemütlich zusammen, nicht wahr?”

Nein.
Nicht wahr.

Gequält lächele ich und ziehe meine FAZ unter seinem ausgesessenen Hintern hervor.
Das liebe ich ja schon: Verschwitzer Männerhintern auf der Titelseite.
Juxend quatscht er vor sich hin.

Gnade mir Gott.
Aber jetzt komme ich hier nicht mehr raus.

Ich “liebe” ja diese rheinischen Scherzkekse.
Deshalb wohne ich auch nicht in Köln.

Da quasselt einem ja jeder ungefragt ein Kotelett ans Ohr.
In Düsseldorf nur jeder zweite.

Mein Freund sieht aus wie dieser Millionär, der mit seiner kernsanierten Blondinen-Gattin gerade durch TV und Gazetten scharwenzelt.

Nur hat das Modell neben mir noch weniger Haare.
Die aber natürlich lang und fusselig nach hinten gegelt.
Ich muß mich nicht mal vorbeugen, um zu sehen, daß er ein La Martina Hemd trägt.

Dieser Flug wird verdammt lang werden.
Und so kommt es auch.

Robert Geiss für Arme läßt sich durch nichts vom Unterhalten seiner Nachbarin abhalten.

Du bist immer viel zu freundlich, sagen meine Freundinnen.
Man merkt Dir nie an, wenn Du genervt bist.
Laß das mal mit der Contenace.

Nach dem Gedankengang sehe das Übel neben mir als Übung.
Ab sofort bin ich nicht mehr nett.
Ich öffne meine Zeitung und verdecke nach links seinen Kopf beim Lesen.

Jetzt müßte auch der allerletzte Holzklotz merken, daß Kommunikation unerwünscht ist.

Nö.

Er bestellt lauthals bei der Flugbegleiterin zwei Flaschen Rotwein.
“Hier für Sie.”

Vermutlich soll ich mal locker werden.
Ich überlege, sie ihm über den Kopf zu ziehen, belasse es aber bei einem “Nein, vielen Dank.”

Drei Minuten Pause.
Oh, herrlich.

“Schauen Sie mal! Was fällt Ihnen hier auf?”
Er hält mir eine geöffnete Zeitschrift direkt vor die Nase.
Vier Erdmännchen stehen im Wüstensand und schauen mich an.

Ich blicke ratlos auf die Erdmännchen und sie auf mich.
“Hier!”
Er tippt dem Männchen der Gruppe in den Schritt.
“Der hat Klöten, die anderen nicht.”

Wird das jetzt “Biologie for Dummies”?

“Der hat es gut! Der einzige Mann in der Gruppe.”

Fein.
Ich würde mich jetzt auf dem Boden kugeln, aber der Gurt läßt mich nicht.
Im Gedanken an meine Freundinnen, verziehe ich keine Miene und errichte erneut meine FAZ-Trennwand.

Bis Mallorca erfahre ich noch Details, die ich nie wissen wollte.
Im Landeanflug beginne ich Gott zu danken, daß es gleich überstanden ist.

Aber einen hat er noch.

“Wo fliegen Sie hin?, fragt er mich – toternst.
Nach Stockholm, würde ich jetzt eigentlich antworten.
Aber ich hab ja gerade keinen Humor.. 😉

>> Und weil ich den Herren leben ließ, wurde ich belohnt…