Bist Du ein Sicht-Putzer oder Bakterien-Putzer?

Geübte Frau E.-Leser werden im folgenden Text bemerken, daß er schon etwas länger im System auf seine Publikation gewartet hat: inzwischen gibt es längst meinen marodierenden Hausfreund und ich muß keinen normalen Staubsauger mehr bedienen.

Was dem Thema keinen Abbruch tut. Deshalb also kopfüber hinein in meine Betrachtung der Putztypen:

Männliche Leser dürfen an dieser Stelle gerne weiterblättern. Männer, die ich kenne, sind entweder Meine-Tastatur-läßt-sich-nicht-mehr-runterdrücken-Putzer, „In-diesem-Bett-will-ich-heute-Sex-haben“-Bett-Bezieher oder – am anderen Ende der Skala – zwangsneurotische Putzer.

Die mit der rigiden Erziehung in der analen Phase. Davon gibt es immer mehr, wie mir scheint.
Bei Frauen unterscheiden sich zwei Gruppen:  die Sicht-Putzerinnen und die Bakterien-Putzerinnen.

Ich bin eine Sicht-Putzerin. Als optischer Mensch mag ich es sauber und ordentlich. Ich suche aber nicht vorsätzlich nach Hygieneproblemen.

Wenn sich die erste Wollmaus aus ihrer Deckung traut, schreibe ich mir einen Zettel. „Saugen“ steht dann darauf. Befriedigt über den ersten Schritt gehe ich weiter meinem Tagewerk nach. Natürlich hätte ich in der Zeit, in der ich ein Papier gesucht, beschrieben und an eine gut sichtbare Stelle gelegt habe, schon saugen können.

Mache ich aber nicht. Staubsaugen ist so laut. Macht noch mehr Migräne. Staubwischen macht mehr Spaß. Sofern man in diesem Zusammenhang von Spaß reden kann.

Am nächsten Tag wache ich auf und erblicke als erstes den Zettel. Dann frühstücke ich. Sehe erneut den Zettel. Fahre den Rechner hoch und arbeite.
Mittags sticht mir der Zettel wieder ins Auge, aber meine Erziehung verbietet es mir, zwischen 12 und 15 Uhr zu saugen.

Irgendwann habe ich den Zettel vergessen. Sollte ich den Zettel an diesem Tag nochmal sehen, ist es 21 Uhr: die Erziehung. Um 0.30 lege ich den Zettel wieder vor mein Bett. Am nächsten Morgen wirken die Wollmäuse in ihrer Größe genmanipuliert. Ich versuche, sie auf Holländisch anzusprechen, aber sie reagieren nicht.

Wollmäuse scheinen auch eine kurze Tragezeit zu haben. Unzählige Jungknäuel drängeln sich nach 24h schutzsuchend an die Muttermäuse. Andere heften sich gleich an meine Socken. Darf man so putzige Hausfreunde töten?

Einst folgte mir ein appetitlicher Mann nächtens in die Küche und sah so ein Papier. „Schreibst Du Dir Zettel, um zu Staubsaugen?“
Seine Stimme klang entsetzt. Das Bild seines Astralkörpers in meiner karierten Bettwäsche zersprang klirrend. Kurzfristig zumindest.

So viel zu den Sicht-Putzerinnen.

Bakterien-Putzerinnen handeln anders

Bakterien-Putzerinnen entfernen nicht nur, was man sieht, sondern auch, was man nicht sieht. Denn das ist viel schlimmer. Das Nicht-Sichtbare bildet eine Grundgefahr und gilt unermüdlich bekämpft zu werden. Da man es – wie der Name sagt – nicht sehen kann, muß man einfach alles immerzu reinigen.

Mindestens mit Sagrotan. Frau weiß ja nie, wo sich der Tod durch Bakterien verbirgt.

Bakterien-Putzerinnen sind die Zielgruppe jeder Putzmittel-Werbung. Gäbe es nur Sichtputzerinnen, wie mich, wäre Henkel längst pleite.
Sie thematisieren die Gefahren auch gerne beim gemütlichen Kaffeetrinken. Ich finde andere Themen schöner, aber was will man machen. Wir haben alle eine unterschiedliche Hysteriegrenzen.

Seitdem ich in anderen Ländern rohes, von Fliegen übersätes Fleisch in praller Sonne auf ungereinigten Holztischen herumliegen sah, klatsche ich angesichts der aseptischen Verpackungen in deutschen Supermärkten regelmäßig in die Hände vor Begeisterung.

Muß ich – wie in Stockholm – fremde Wohnungen bewohnen, sinkt meine Toleranzgrenze ebenfalls drastisch. Da wird auch erst mal kernsaniert.

Bei Bakterien-Putzerinnen findet sich gerne mal eine Feuchttuch-Packung neben dem Bett. Ich weiß nicht, ob sie die Männer vorher oder nachher reinigen. Wäre ich ein Mann, was mir erspart geblieben ist, würde mich diese Kleenex-Armada erschrecken.

Ich würde unauffällig auf das Bettlaken drücken, um zu hören, ob es knistert.
Wenn es knisterte, läge ein flüssigkeitsundurchlässiges Plastiklaken darunter.
Und ich nicht mehr lange darauf.

Obwohl: wäre ich ein Mann, läge ich vielleicht doch weiter drauf.
Ich würde denken: „Wo ich schon mal hier bin.“