Es war einmal ein Sommertag in Stockholm 2015. Ich fühlte mich bereits ein wenig migränelnd, entschied aber, mich durchzusetzen. Man kann diesem Quälgeist ja nicht rund um die Uhr die Oberhand lassen. Also blieb ich in der Straßenbahn sitzen und fuhr bis Prins Eugens Waldemarsudde.
Dies liegt im südlichen Teil der Insel Djurgården und somit fernab der üblichen Touristenströme. Und genau so ein Plätzchen brauchte ich jetzt: ruhig, am Wasser, allein und mit direkter Straßenbahnanbindung, um notfalls schnell wieder in mein Bett zu flüchten.
Zentrum der wunderbaren Location ist ein kleines Schlößchen, in dem Prins Eugen lebte und seine bekannten Landschaftsbilder malte. Daneben steht ein Anbau für die weitere Kunstausstellung, beides umgeben von einem hübschen Park. 70.000 Quadratmeter teilen sich Blumen und Skulpturen, von drei Seiten von Wasser umplätschert.
Kulinarisch kommt man auch auf seine Kosten: in der zauberhaften, historischen Schloßküche sowie dem kleinen Outdoor-Café Ektorpet auf einer grüner Wiese.
An der Endstation lief ich die wenigen Meter zu einer Bank auf dem Museumsgelände, legte mich, so bequem wie es Holzbänke zulassen, warf ein Triptan gegen die Migräne ein und schloß die Augen. Eine sanfte Brise säuselte durch die Bäume, das Wasser plätscherte und ich ließ, den dunklen Schal über meinen Augen, meine Gedanken ins Nirgendwo wabern.
Als das Medikament langsam zu wirken begann und ich mein erstes Blinzeln wagte, sah ich dies:
Ich beobachtete die Möve und war glücklich. So glücklich man mitten in einem Migräneanfall sein kann.
Es gibt eindeutig schlimmere Orte, um Schmerzen durchzustehen. Und so blieb ich dort liegen und sann darüber nach, daß wir chronische Kranken in manchen Seelenbereichen beschenkt sind. Weil wir lernen, die kleinen Diamantsplitter im Misthaufen zu sehen und uns darauf zu konzentrieren.
“Schwedens schönstes Kunstmuseum” besuchte ich diesmal nicht, doch ich erinnere mich gerne an einen Besuch vor 15 Jahren. In tiefstem Winter stapfte ich durch den Schnee zu diesem einzigartigen Museum. Ich glaube, es gibt keine Großstadt, in der man eine solche Stille erleben kann. Fasziniert stand ich in Prins Eugens Privaträumen am Fenster, blickte aufs Wasser und lauschte dem Ticken der Standuhr.
Tick, tick, schlagartig war es draußen rabenschwarz. 15 Uhr sagte die Standuhr.
Nun bin ich als Stadtpflanze gewohnt, daß immer überall alles beleuchtet ist. War es damals aber nicht. Ich trat vor das Schlößchen und stand im Stockdunkeln. Unter mir Eis, vor mir Wald. Sofort ging meine Phantasie mit mir durch. Ich hätte pfeifen können. Auf jedes Knistern im Düstern lauschend, tastete ich mich durch die Nachmittagsnacht. Das Modul “Orientierungssinn” hatten meine kostenbewußten Eltern bei meiner Produktion eingespart. So tastete ich mich vermutlich dreimal so lange durchs Dunkle, bis ich ein erstes Lämpchen entdeckte. Herregud! Wie dankbar ich war, als ich auf Spuren von Zivilisation stieß!
In der friedlichen Sommersonne wirkten meine Erinnerungen etwas hysterisch. Aber wie das so ist bei Menschen mit einem Hauch zu viel Phantasie.
Als mein Rücken der Ansicht war, nun sei es genug des kargens Seins auf Holzlatten, fuhr ich mit der Straßenbahn bis “Gröna Lund” und setzte vom dortigen Anleger mit der Fähre hinüber nach Gamla Stan.
Keine schlechte Aussicht für ein öffentliches Verkehrsmittel, nicht wahr?
Im folgenden Video sehr Ihr die Nordseite von Södermalm und dabei auch das ebenfalls empfehlenswerte Fotografie-Museum Fotografiska (links vom weißen Schiff). Und wenn Ihr die hohe Felswand seht, wißt Ihr auch, wieviele Höhenmeter man in Stockholm Tag für Tag zurücklegt.
Auf dem kurzen Fußweg zur Tunnelbana “Slussen” passiert man eine Gatukök (Imbißwagen) mit Fisch-Snacks. Als ich noch essen konnte, was ich wollte, aß ich hier auch jedes Mal, was ich wollte. Sehr lecker!
Was wäre ein besserer Tagesausklang, als ein strömming auf Knäckebrot?
Guten Appetit!
Der Ausflugstip in Kürze:
Mein Tipp für alle, die auch etwas schwach auf ihren Stelzen sind oder schlichtweg keine Lust haben, weite Strecken zu laufen:
1.) Ab Nybroplan (Östermalm) mit der Straßenbahn Nr. 7 bis zur Endstation Prins Eugens Waldermarsudde fahren. Das dauert 17 Minuten und bietet herrliche Ausblicke zu beiden Seiten.
Hier ins Museum gehen oder sich im Café mit Zimtschnecken ins Koma futtern. Bei Bedarf beides.
2.) Zur Straßenbahn 7 zurück rollen und an der Haltestelle “Gröna Lund” aussteigen. Dort 200m Meter bis zum Anleger der Djurgårdsfärjan laufen und zur Insel Gamla Stan übersetzen (siehe rotes Kreuz in der Karte unten). Das geht mit jeder SL-Karte der Zone A. Die Fähre fährt ganzjährig bis Mitternacht alle 10-15 Minuten.
3.) 300-400m bis zur Haltestelle “Slussen” laufen (blaue Markierung). Von dort fahren viele Busse und zwei U-Bahn-Linien (rot und grün) in sämtliche Richtungen. Oder geradeaus zur Haltestelle der Tunnelbana “Gamla Stan” (grüne Markierung, ebenfalls rote und grüne Tunnelbana-Linie) und von dort zur Unterkunft zurück reisen.