Er bekommt schließlich noch seine Miete.
Viiiel billiger sei es, mit meiner Bank-Visa-Karte in Schweden abzuheben, hatte die Dame am Telefon geflötet.
“Keine Gebühren und bis 1.500,- Euro am Tag.”
Daß der Automat nur 2000 SEK (rund 220 Euro) auf einmal ausspuckt, hat sie nicht erwähnt.
Also muß ich das Abhebtheater diverse Male durchspielen.
Macht ja nix, denke ich.
Dann schaue ich hinter mich.
Es hat sich eine mittelgroße Schlange gebildet.
Auf Schwedisch “Kö”.
Für Düsseldorfer ein schönes Wort, für mich gerade weniger.
Da ich mit gutem Willen relativ Schwedisch aussehe, kann ich mit keiner Ausländer-Milde rechnen.
Natürlich kommt es noch schlimmer.
Denn die Dame hat auch nicht erwähnt, daß nach zwei Abhebungen Schluß ist für den Tag.
Wie man mit zwei Abhebungen à 2000 SEK auf 1500 Euro kommen soll, ist mir ein Rätsel.
Damit kann ich mich aber nicht beschäftigen und zücke Karte Zwei.
Bei Karte Zwei ist schon nach einmal Schluß, bei Karte Drei dafür gar nicht.
Da zahle ich auch vermutlich 10.000 Euro Gebühren pro Abhebung.
Ich trage es mit Fassung und zähle meinem Vermieter den Stapel Scheine in die Hand.
Die Leute in (nicht auf) der Kö starren uns an.
Sie erwarten vermutlich, daß mir der Typ im Stones-Paillettenshirt nun ein kleines Päckchen zuschiebt.
Tut er aber nicht.
Nach dem Kampf ums Geld geht’s in die Supermarktschlacht
Kurze Zeit später ziehe ich die Tür meines neuen Zuhauses ins Schloß.
Jetzt würde ich mich gerne mal hinsetzen.
Nur einmal.
Nur gaanz kurz..
Aber ich weiß: wenn mein Po den Sofastoff berührt, ist es vorbei.
Dann muß ich mich bis morgen von dem warmen Käsebrot ernähren, das in meiner Reisetasche vor sich hinmodert.
Also schultere ich meine Einkaufstaschen und marschiere in den Supermarkt gegenüber.
Wie der heißt?
LIDL.
Und dafür fliegt man über die Ostsee.
Bei Lidl in Stockholm gibts im Gegensatz zu unserem 25 Sorten Knäckebröd.
Und das genaue Gegenteil davon gibt es auch: fluffig weiche Matschbrote wie eigentlich überall jenseits der deutschen Grenze.
Unschlüssig stehe ich vor dem Regal.
Dann entdecke ich….Polarbröd.
Ich juchze auf wie sonst nur bei Manuel Neuer.
Polarbröd (Rågkaka) ist etwas, das in keiner “Ich werde jetzt mal fix richtig dick”-Diät fehlen sollte:
weiche, runde Scheiben aus Teig mit weißem Mehl sowie ordentlich Sirup, Zucker und Fett.
Für Polarbröd könnte ich sterben.
Wenn ich das nicht sowieso gleich mache vor lauter Erschöpfung.
Dann toppe ich die Aufgeh-Diät noch mit einer Tüte “Kanel Gifflar” (kleinen Zimtschneckenstücken) und einer Dose gesalzener Butter.
Die in Schweden immer gesalzene Butter braucht man, um die Süße der Brote zu neutralisieren.
Als pragmatische Deutsche würde ich zwar vorschlagen, einfach Zucker und Salz in beidem wegzulassen, aber meine Meinung ist hier ja nicht gefragt.
Beim Einpacken an der Kasse darf ich feststellen, daß die Flasche Flüssigseife defekt war.
Alles glitscht und weil ich heute noch viel Spaß vertragen kann, erbricht sie sich am Ende komplett in meine Handtasche.
Genauso habe ich mir meinen Abend vorgestellt.
Der Kassierer bietet mir irgendwas an, das ich nicht verstehe, weil ich nervös bin.
Die gescannten Einkäufe der folgenden Kunden stapeln sich bereits um meine herum.
Rund acht Leute starren genervt auf mich.
Kurz bricht Verzweiflung aus.
Das sind genau die Momente, wegen derer ich bei uns in Deutschland offensichtliche Fremdsprachler an Kassen mit aufmunterndem Lächeln oder Übersetzungen unterstütze.
Nie fühlt man sich so hilflos, wie wenn man im Kassierstreß etwas am ausländischen System nicht begreift, vor Schreck die Sprache vergißt und nur noch wie ein Lemming auf die Schlange starren kann.
Ab ins Bett? Von wegen..
Zurück in der Wohnung will ich mal fix das Bett beziehen.
Nachdem ich in dem Schrank-Gewühl das ein oder andere Stoffstück hervorgezogen habe, steht der Entschluß fest:
lieber nächtige ich in einem nagelneuen, aber ungewaschenen Bettbezug als in Stoffen mit Farbgebung unbestimmter Provenienz.
Wer sich die Info, daß jeder Mensch des Nächtens einen Liter Flüssigkeit absondert, mal vor seinem geistigen Auge vorbeiplätschern läßt, weiß woran ich gerade unter anderem denke.
Heißt, ich muß nochmal die Treppe runter, nochmal um die Ecke, nochmal einkaufen.
Jaulend schleppe ich mich zu Åhléns.
Langsam ist mir alles wurscht.
Hauptsache neu und sauber.
Am Ende treffe ich mit einem Set hübscher Bettwäsche, einem Teller und einer Suppenschüssel zuhause ein.
Und läppische 1,5 Stunden Dauerputzen später kann ich mich auch schon hinsetzen und was essen.
Lecker!
Sechs Scheiben Polarbröd und einer Familienpackung Zimtschnecken später ist mir richtig schön schlecht.
Ich bin glücklich!
Jetzt einen Tee.
Ich zupfe meine Sammlung losen Tees aus dem Koffer und marschiere zurück in die Küche.
Mikrowelle, Kaffemaschine, Toaster, Türen auf, Türen zu.
Und es gibt doch Wohnungen ohne Wasserkocher.
Wie Menschen ohne Wasserkocher überleben können, bleibt mir als passionierter Teetrinkerin ein Rätsel.
Natürlich kann man auch den würdelosen Weg nehmen und Wasser in einem Kochtopf erhitzen.
In meinem Fall würde es aber erfordern, einen solchen erst mittels eines Kärchers vorzubehandeln.
Für heute halte ich es deshalb mit Scarlett O’Hara:
“Morgen ist auch noch ein Tag.”
Und so kommt es tatsächlich.
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